Werbung
,

Ilse Haider: Ein Bild von einem Mann

"Ich habe niemals so hohe Schönheiten in dem schwachen Geschlecht als in dem unserigen gesehen. Was hat denn das Weib, was wir nicht auch haben?" Diese Frage steht am Anfang von allem Klassizismus. Johann Joachim Winckelmann warf sie auf, der Herold der Homosexualität, der damit auch eine Antwort parat hatte: Sein und seiner Vertrauten Geschlecht hat nicht weniger, sondern an einer entscheidenen Stelle mehr als jene Species, die er "Weib" nennt. Auf genau diese Stelle ist auch die spezielle Eigenschaft konzentriert, die Ilse Haider ihren Helden gibt. Sexualität und Ästhetizität, die zwei Aggregatszustände für die eine moderne Mentalität, kommen hier zu beispielhafter gemeinsamer Kenntlichkeit, und so hätte Winckelmann ganz gewiss seine Freude an dem "Mr. Big", wie er in der Galerie Steinek prangt. Er ist wirklich groß, dieser Herr, mehr als fünf Meter lang in voller Schönheit, und die ominöse Stelle, die seine Nacktheit freigibt, leidet überhaupt nicht am Verlust der Mitte. "Mr. Big" ist ein heftig dem Blow Up ausgesetztes Foto, und es ist ein Schichtenmodell, denn insgesamt vier fein silhouettierte Tranchen fügen sich zum virilen Fleisch. Zuvorderst sieht man nur ein Bein, zum zweiten geht es über in den Oberkörper, dann folgen die eindrücklichsten Maskulina, und schließlich bekommt der Held gar ein Gesicht. Ein Gesamtüberblick ist möglich von der Eingangstür aus, doch man kann auch zwischen die Fotofolien steigen und dem Bild von einem Mann und seinen Einzelheiten ganz nah kommen. Ilse Haiders Kunst hatte schon immer ihren gewissermaßen postfeministischen Witz, und jetzt, nach längerer Baby-Pause, hat er nichts von seiner wunderbaren Sicherheit verloren. Der augenzwinkernden Hommagen ans Männlich-Allzumännliche ist noch längst kein Ende. Ein Video, zu bewundern nur für diejenigen, die über "Mr. Big" und seine delikaten Filets hinweggekommen sind, zeigt die Künstlerin in eben dem Ambiente der neuen Galerie Steinek dann, wie sie sich mit einer Besucherin in der genuin weiblichen Tugend des Stutenbisses übt. Das schwache Geschlecht zeigt hier seine ureigene Stärke. Damit wäre auch Winckelmanns Frage beantwortet.
Mehr Texte von Rainer Metzger

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ilse Haider
25.10 - 03.12.2006

Galerie Steinek
1010 Wien, Eschenbachgasse 4
Tel: +431/512 87 59, Fax: +431/512 87 59
Email: galerie@steinek.at
http://www.galerie.steinek.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 13-18h
Sa: 11-15h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: