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Caravaggio. Auf den Spuren eines Genies: Die beste schlechte Ausstellung

Er wisse nicht, bekannte einst Max Friedländer, der Kunsthistoriker, warum er einen Maler von einem anderen und ein Original von einer Kopie unterscheiden könne. Und doch sei er ganz bestimmt dazu in der Lage, genauso wie er am Telefon an der Stimme erkenne, mit wem er spreche, und auch nicht erklären könne, warum. In diesem kennerschaftlichen Sinn bürgt der Unterzeichnete dafür, dass in einer Ausstellung des Museum Kunst Palast in Düsseldorf, die den Titel "Caravaggio. Auf den Spuren eines Genies" trägt, genau drei Werke von dem exaltierten Realisten stammen: Der frühe "Schlafende Amor", heute in Indianapolis daheim, der das Plakatmotiv abgebende "Johannes der Täufer" aus den Kapitolinischen Museen und der Berliner "Amor als Sieger". Der Rest ist Sekundärware, Kopie, Schülerübung, Hommage von fremder Hand. Der Meister hat ja nun ein aufreibendes Leben geführt, mit Mord und Totschlag, Flucht und Exil, Homo-Affären und Weibergeschichten, ein Musterobjekt für die Queer Studies, und so hat er mächtig Konjunktur heutzutage. Kein Wunder, dass alle eine Ausstellung wollen von ihm und die Exponate dadurch denkbar knapp werden. Doch weil Caravaggios Leben so aufreibend war, kann man die Liste seiner Eigenhändigkeiten auch günstig abändern. Die Ausstellung blickt also den Zu- und Abschreibungen auf die Finger und beteiligt sich nach Kräften dran. Bei den meisten der gut vierzig Schaustücke lässt sie offen, wer da nun Hand anlegte, manchmal steht ein verstohlenes "Kopie" dabei, und in der Tat ist der allergrößte Teil des Gebotenen von der Sorte, dass man sich im Museum keine Sekunde danach umdrehen würde. Doch in einer Ausstellung geht es nicht nur ums Werk, sondern auch ums Thema, und das haben die beiden Kuratoren Jean-Hubert Martin und Jürgen Harten ganz kalkuliert und ganz souverän um den Mangel gedrechselt. Keine Originale zu bekommen, wird so flugs zur Strategie. Und so wird daraus die beste schlechte Ausstellung, die der Rezensent seit langem gesehen hat. Caravaggio war ja der modernste aller Maler vor der Moderne. Entsprechend kam er schon zu Lebzeiten zu seinem Ismus. Die Caravaggisten haben Europa überschwemmt seinerzeit. Die Düsseldorfer Schau ist dazu heute der Neo-Caravaggismus.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Caravaggio. Auf den Spuren eines Genies
09.09.2006 - 07.01.2007

Museum Kunstpalast
40479 Düsseldorf, Ehrenhof 4-5
Tel: +49 211 566 42 100
Email: info@kunstpalast.de
https://www.kunstpalast.de
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-21


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