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Olafur Eliasson: Aufklärung heute

Wir wollen Sonne statt Reagan, hieß es einst wortspielernd in einem Lied der frühen Achtziger. Der es sang, wusste lang vor Karaoke, dass jeder Mensch ein Sänger ist, also griff er selber zur Schallplattenpressung und hievte sich in die Berühmtheit. Joseph Beuys war der Name des Stars, und gäbe es eine männliche Form von Chanteuse, er hätte sie verkörpert mit seinem Anspruch, unterhaltend die Welt zu warnen. Sonne statt Regen, heißt es jetzt wieder in aller Unpoesie, und diesmal ist ein Künstler dafür verantwortlich. Elafur Eliasson, der Erbe der Land- und Sozialartisten dieser Erde, hat damit eine Installation betitelt, die in aller Ungreifbarkeit in den Raum ragt. So hoch und lang wie der Münchner Kunstbau, jenes Reststück einer U-Bahn-Station gleich beim Lenbachhaus, wirft sich eine Wand in die Brust, die bunteste Helligkeit ausstrahlt. Die Halle wird auf das Buchstäblichste illuminiert, und was man sieht, ist die ständig sich wandelnde, die gesamte Erstreckung entlangwandernde, mit allem, was der Regenbogen hergibt, wuchernde Erscheinung greller Luminiszenz. Die Materie des Nichts und die Materie des Lichts fügen sich zur spektakulären Kunst am Bau. Vor einigen Jahren hatte Eliasson das Spektakel bereits einmal inszeniert. Nun hat sich das Lenbachhaus das Werk gesichert und es zurückgebracht an den gehörigen, ortsspezifisch bestimmten Platz. Eliasson schlägt die Natur am liebsten mit ihren eigenen Mitteln. Er lässt den Wind für sich arbeiten, die Feuchtigkeit oder eben das Licht, seine Kunst ist die vorweggenommene Garantie darauf, dass der Strom nicht vom Kernkraftwerk, sondern aus der Steckdose kommt. Alles irgendwie recycelt, alles energiepolitisch koscher, der Traum sämtlicher 68er Schwiegermütter. Nicht, wie Beuys, esoterisch, sondern profund ausgedacht, naturwissenschaftlich unterfüttert, überhaupt nicht versponnen und jedenfalls sehr schlaubergerisch. Womöglich hat das Paradies seinen zweiten Eingang, und wir finden die ökologische Unschuld wieder, wenn wir nur fest genug kalkulieren. Denn bekommen wir, was seit Marcel Duchamp die Leibhaftigkeit selbst aller Kunst ist. Duchamp schimpfte wie ein Marktweib gegen die optischen Sensationen der, wie er es nannte, "Retinalkunst", der Kitzel auf der Netzhaut, denen nichts folgt für die Gedanken. Eliassons Münchner Installation ist purste Retinalkunst. Wer will, kann geschlossenen Auges durch den Kunstbau tapsen und die Lichteffekte auf den Lidern spüren. Das Hirn kann er vorher an der Garderobe abgeben. Sonne statt Regen. Aufklärung heute.

Mehr Texte von Rainer Metzger

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Olafur Eliasson
18.08 - 22.10.2006

Lenbachhaus Kunstbau
80333 München, U-Bahnhof Königsplatz
Tel: +49 89 233 969 33
Email: lenbachhaus@muenchen.de
http://www.lenbachhaus.de
Öffnungszeiten: Di - So 10 - 18 h, Do 10 - 20 h


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