Manfred M. Lang,
Hurra - ich lese wieder Zeitung
So lange ist es noch gar nicht her, dass ich gedruckten Tageszeitungen die Lesegefolgschaft verweigern wollte - wozu auch - alle hatten ja schließlich eine Internetausgabe - und da glaubte man sich stets am aktuellsten Informationsstand.
Aber leider wurde aus dem www ein wehwehweh - denn kaum öffnet man jetzt z.B. den digitalen Standard oder den digitalen Orf, schon fetzen und zischen und blinken und flirren und sausen und drehen sich Werbebanner so nachhaltig um die Augen, dass einem die Informationsneugierde gründlich vergeht.
Ich meine Werbung ist ja ganz gut und muss auch sein - und dass sie sich nicht wegklicken lässt, mag ja auch noch angehen - aber bitte warum kann die nicht einfach stillhalten, warum muss die zuerst über den gesamten Bildschirm klatschen, dann hin und herzucken um sich endlich rechts oder links und entlang des gesamten Textes auszudehnen ohne bis zum Textende auch nur eine Bruchteilsekunde stillzuhalten? Früher konntest du als Schnellleser zumindest die diversen kleinflächigen Werbebotschaften relativ bald hinausscrollen - aber damit ist es jetzt auch vorbei. Bis zum bitteren Ende verfolgt sie dich, diese Informationsparallelwelt.
Das ist bereits eine unerträgliche Zwangsbeglückung, ist optische Umweltverschmutzung, ist kulturlose Augenvergewaltigung.
Wenn mindestens der Text, den ich eigentlich lesen wollte, aus Gründen der Gleichberechtigung ebenfalls wabbern und blinken würde - aber nein der hält ganz still und überlässt meine Augen kampflos den hyperaktiven und täglich größer werdenden Werbebannern.
Aber was solls - lese ich halt wieder die Zeitung auf Papier. Da hält der Big Mac ganz still, das Fleischlaberl verharrt bewegungslos und geduldig im nicht auf- und zuklappenden Pseudosemmerl und lässt sich im Notfall sogar durch eine einfache Faltung vom Zeitungstext trennen. Zumindest derzeit noch - aber ich befürchte den Druckereien wird schon noch etwas einfallen.
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