Erwin Wurm - adorno lag falsch mit seiner theorie über kunst: Nasenbohrer und Philosophen
Flüchtigkeit nicht Dauerhaftigkeit, Veränderlichkeit nicht Unabänderlichkeit, Labilität nicht Beständigkeit sind die Grundkonstanten von Erwin Wurms erweitertem Skulpturbegriff, der sich in Zeichnungen, Fotografien, Videos, Objekten und Installationen artikuliert. Konsequent und schlüssig positioniert er im Sinne möglicher Handlungsformen der Skulptur sein Werk seit den späten 1980ern zwischen zwei prozessorientierten Polen: Der Objektwerdung des Subjekts und - als deren Umkehrschluss - der Subjektwerdung des Objekts. Neben aus diversen Ausstellungen bekannten Werken (einige davon sind Dauerleihgaben, andere gehören zum Sammlungsbestand des Museums) bildet das Kernstück dieser Schau die 12-teilige, aus rosa Tafeln bestehende Installation mit dem Titel "Adorno Was Wrong With His Ideas About Art". Wurm knüpft damit an seine handlungsanweisenden "One-Minute-Skulptures" an. Wir dürfen ein Ohr an besagte Tafeln legen und dabei furzen, in der Nase bohren und dabei an Kant denken, einen Arm, ein Bein durch ein Loch stecken, knien, sitzen, liegen und uns derart sämtliche philosophischen Größen, von Epikur bis Popper, in Erinnerung rufen sowie uns in bildungsbürgerlichem Name-Dropping ergehen, wie es Wurm selbst in einer Reihe von Kugelschreiber-Zeichnungen nahelegt. Wie schon Ende der 1990er Jahre rollt er auch hier Fragen nach den Grenzen zwischen Skulptur und Aktion, nach Zeit und Handlungsraum, nach der Reproduzierbarkeit von Skulpturen und der Einbeziehung des Publikums auf. Wir konsumieren Kunst, wir dürfen auf gewöhnlichste Weise agieren und tragen damit auch noch zur Vervollkommnung des Kunstwerks bei. Adorno, Verfechter des Hehren und Unabänderlichen in der Kunst und leidenschaftlicher Gegner des Kulturkonsums ("Wer Kunstwerke konkretistisch genießt, ist ein Banause"), wäre Wurms Schaffen wohl ein regelrechter Dorn im Auge. Die von ihm kritisierte Kulturindustrie aber, sie ist längst Teil der Welt, in der wir leben. Ernstzunehmende oppositionelle Stimmen gegen sie sind weitgehend verstummt. Deshalb verwundert, warum Wurm gerade jetzt Adorno bemüht. Außerdem hatte dieser schon 1948 zumindest in einem Recht: Durch die befriedigten Bedürfnisse - und Erwin Wurms Schau befriedigt durch ihren partizipatorischen Charakter durchaus - würden die Konsumenten ruhig gestellt. Denn, so der strenge Denker: "Vergnügt sein heißt einverstanden sein."
08.04 - 09.07.2006
Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg
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