
Clegg & Guttmann, Minister und Senatoren - Politisch-physiognomische Fragmente: Die Physiognomie der Macht
Alle, die Goya für den größten aller Maler halten, schwärmen speziell von seinem Staatsporträt der spanischen Königsfamilie um den Regenten Karl IV. Wie hat der Meister es nur geschafft, daß diese Versammlung an Freaks und Fratzen akzeptiert wurde, wundert man sich und bewundert die Modernität, mit der hinter den Repräsentanten die Hohlheit sichtbar wird. Ganz einfach hat er es geschafft: Goya hat den Herrschaften nur die Einzelbildnisse vorgelegt; die Zusammenfügung zum Gruppenporträt erst birgt die Groteske, und sie vollzog sich in der Hermetik des Ateliers. Seit fast zwanzig Jahren loten die beiden Amerikaner Michael Clegg und Martin Guttmann die Möglichkeiten aus, fotografisch Repräsentativität herzustellen. Das funktioniert ganz im Sinne Goyas und seiner Vorläufer etwa im holländischen Gruppenbild. Zunächst arbeiteten sie, mangels Zugang zu jenen, die das große Ganze von Politik und Wirtschaft zu verkörpern scheinen, mit Komparsen. Nun ist es ihnen gelungen, der Macht oder zumindest ihrem Vorhof nahezukommen. In der Kölner Galerie Christian Nagel zeigen sie die Ergebnisse ihrer Spurensicherung an der Physiognomie des Prinzips Politik. Sechs Mitglieder der deutschen Bundesregierung und fünf Berliner Senatoren haben sich von ihnen ablichten lassen, die Herren im obligatorischen Schwarz mit Krawatte und die eine Dame jeweils kleidsam im Pret-à-Porter. Wie bei Goya sind allein Einzelbilder entstanden, und wie bei ihm ist das zusätzlich geschaffene Gruppenbild Ergebnis nachträglicher Montage. Den Herrschaften ist dabei, anders als vor zwei Jahrhunderten, nichts Übles widerfahren. Der dunkle Hintergrund fließt in eins mit dem Aufzug, und übrig bleiben die Antlitze, die nicht häßlich sind, aber auch nicht staatstragend, sondern schlicht nichts besonderes. Die Repräsentanten des Volkes stammen ganz offensichtlich aus demselben. Die Normalität des Status Quo, man trägt sie bereits im Gesicht. Alles andere ist PR-Arbeit.

05.05 - 09.06.2001
Galerie Nagel Draxler
50667 Köln, Elisenstraße 4-6
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