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In Missionarsstellung

Die große Enttäuschung zuerst: Amerikas Ausnahmeregisseur Terrence Malick, die Legende, die im Schnitt nur alle zehn Jahre einen Film gemacht hat, hat sich völlig dekonstruiert. Sein neuer Film The New World (im Wettbewerb außer Konkurrenz) über die zum amerikanischen Gründungsmythos zählende Ureinwohnerin Pocahontas ist nicht nur Ethnokitsch, wie man ihn schlimmer nicht erwarten könnte. Die ganze Machart des Films ist durchdrungen von der Perspektive des weißen, männlichen Eroberers, der sowohl das Land, als auch die Frau annektiert. Was man an Terrence Malicks letztem Werk, dem außerordentlichen Antikriegsfilm "The Thin Red Line" (1998) als ein wenig irritierend empfand, die kitschigen und für das Verstehen seiner Handlung überflüssig ausführlichen Anfangs- und Schlusssequenzen bei den Ureinwohnern der Pazifikinseln, hat nun in "The New World" auf den gesamten Film übergegriffen. Zu sehen sind wunderschöne Naturaufnahmen und halbnackte Indianer, edle Wilde ganz in der Tradition Rousseaus, über die sich klassische Musik legt. Erobert wird diese Neue Welt nicht allein mit Lanzen und Gewehren, sondern ebenso mithilfe der zugleich mit Wagner und Mozart übergestülpten Kulturtradition der Alten. Nicht zu vergessen die Schüsse aus dem Quadraturapparat Kamera, die die "Neue Welt" und das Indianermädchen in ein patriarchales, kolonialistisches Bild pressen, das 2006 einfach unmöglich mehr zu vertreten ist. Viel besser sieht es mit dem Wettbewerbsfilm Elementarteilchen des Deutschen Oskar Roehler nach dem gleichnamigen, provokanten Roman von Michel Houellebecq aus. Das ist zwar auch ein Männerfilm, aber wenigstens ein mann- und selbstironischer. Frauen kommen darin nur vor, um entweder die männlichen Protagonisten zu demütigen und abzuweisen oder um als endlich erreichte Geliebte todkrank zu werden. Wenigstens lässt Roehler - anders als Houellebecq - nicht beide Frauen des Bruderpaares, um das es geht, tatsächlich sterben. Ähnlich wie in "Agnes und seine Brüder", Roehlers letztem Film (siehe artmagazine-Kritik), geben die Parallelen zwischen den zerrütteten Familienverhältnissen, aus denen Bruno (Moritz Bleibtreu) und Michael (Christian Ulmen) kommen und der Biographie des Regisseurs den einzelnen Situation Glaubwürdigkeit. Andererseits wurde, was Roehler dazu zu sagen hatte, bereits ausführlich in "Agnes und seine Brüder" gesagt. "Elementarteilchen" hätte es dazu nicht mehr gebraucht. Eine der besten Überraschungen der ersten Festivaltage war der österreichische Film Slumming von Michael Glawogger (zuletzt erfolgreich mit der Doku "Workingmans Death"). "Slumming" ist die erzählerische Transposition der Studien in Unterschichtmilieus, die den österreichischen Film bis vor kurzem prägten, in eine Filmhandlung: Zwei gelangweilte junge Männer (August Diehl und Michael Ostrowski) suchen Plätze auf, an denen sie sich wie Sozialtouristen in fremden Milieus bewegen können, um sie einerseits zu studieren, andererseits zu ihrem Vergnügen auszunützen. Der eine verabredet sich z.B. mit Frauen, die er im Internet kennen lernt, um ihnen beim Rendezvous heimlich unter den Rock zu fotografieren. Zufällig stoßen Sebastian und Alex auf einen besoffenen Pennerpoeten (Paulus Manker), der seinen Rausch auf einer Bank vor dem Wiener Westbahnhof ausschläft, und schaffen ihn zum Spaß nach Znaim, wo sie ihn ohne Pass liegen lassen. Bosheit, Poesie und Publikumsbeschimpfungen mischten sich aufs Glücklichste und Wien war wieder eine faszinierend neue Stadt. Deutsches Publikum war übrigens über die englischen Untertitel glücklich, was nicht daran hinderte, dass der Film gut ankam. Nur was der Running Gag mit dem Bambi mit all dem zu tun hat, blieb leider ungeklärt.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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