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Der Wert und der Preis

Die nicht anders als hysterisch zu nennende Vorstellung, mit Geschäften ließe sich Geschichte rückgängig machen, ist, was in den letzten Wochen von Gustav Klimt geblieben ist. Daran, dass zu Zeiten eines Turbo-Kapitalismus der Wert eines Gegenstandes sein Preis ist, haben wir uns längst gewöhnt. Nun hat also das Restitutionsverfahren gesprochen, und Gerechtigkeit besteht mithin in der Verschiebung eines Besitzstands. Egal, um was es dabei geht. Waren sind Waren, weil sie neutral sind. Niemals, so hat ein kluger Mensch einmal gesagt, der von den Nazis allerdings auch betroffen war, niemals ist ein Dokument der Kultur nicht zugleich ein Dokument der Barbarei. Da kann man restituieren, wie man will. Doch die Barbarei besteht allein in der Vorstellung, Versöhnung mit dem Vergangenen sei erstens möglich und zweitens auch noch über Geld zu haben. Wenn Klimt Glück hat, landet er bei Ronald Lauder, der, wie es obsessiven Sammlern so eigen ist, nichts unversucht lassen wird, sich der Bilder endgültig zu bemächtigen. Wenn Klimt Pech hat, wird er nach Dubai oder sonstwohin, wo das Öl und die Devisen fließen, verschleppt. Speziell das erste Bloch-Bauer-Bild, das schlicht und einfach Klimts Hauptwerk darstellt, ist undenkbar ohne seine Arbeit am Beethoven-Fries. Der war Bestandteil einer Ausstellung, in der die Secessionisten Max Klinger mit seiner Beethoven-Statue hochleben ließen. Künstler zelebrieren eine Hommage an einen Künstler, der eine Hommage an einen Künstler zelebriert. Was auch immer man weiß und vor allem nicht weiß in Österreich über derlei Kunstkulte: Adele Bloch-Bauer war eine genuine Figur in diesem Ästhetizismus, in diesem perfekten L`Art pour L`Art. Wer glaubt, der Schacher, der jetzt mit ihren Porträts getrieben wird, wäre auch nur ein Gran in ihrem Sinn, ist ein Ignorant. Doch derlei Hinweise helfen jetzt nichts mehr. Jetzt gilt es zu akzeptieren, dass auch das momentane Verfahren Bestandteil einer unversöhnten Geschichte ist. Jetzt braucht man keine Bäume aufstellen und Millionen zusammenkratzen, um seinerseits etwas rückgängig zu machen. Lassen wir die Klimts ziehen. Verzichten wir auf die Hilfe Herrn Dichands, damit nicht auch noch die zehn Prozent an politischer Praxis, in der ihm die Republik nicht zu Kreuze kriecht, verloren gehen. Und verzichten wir auf die Hilfe der Banken. Sie in diesem Fall heranzuziehen, hieße endgültig die Böcke zu den Gärtnern zu machen. Geschichte schreiben bekanntlich die Sieger, und dazu gehörte es von jeher, dass sie sich auch für die moralisch Überlegenen halten dürfen. Für die anderen bleiben die Versprechen sowieso uneingelöst. Für sie zumindest ist es weiterhin die Geschichte, die man, wie Walter Benjamin schrieb, "nicht ohne Grauen bedenken kann".
Mehr Texte von Rainer Metzger

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