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Turner Prize 2005: Anti-Trendsetter

Mit schöner Regelmäßigkeit überfällt einen, aus Wien kommend, der pure Neid angesichts der Londoner Kunstszene. Natürlich: durchgedrehte Märkte. Berechnende Sammler. Häufig hohe Eintrittspreise. Aber: Diese Medien! Diese Museen! Und natürlich: Dieses Publikum! In London weiß jedes Schulkind, was der Turner Prize ist. Besucht man an einem gewöhnlichen Wochentag die Ausstellung, in der alle vier "shortlisted" Künstler ihre Arbeiten präsentieren, kommt man ins Gedränge. Nun also der Turner Prize 2005. Nominiert waren denkbar unterschiedliche Positionen: Jim Lambie beklebte den Boden der Ausstellungsräume mit funky glitzernden Klebeband, platzierte darauf überdimensionale Kitsch-Vögel, aufgetuned mit dickflüssiger Farbe und kleinen Spieglein. Darren Almond verteilte vier Leinwände im Raum, auf die kleine Filme projiziert wurden: eine Aufnahme seiner Großmutter kurz vor ihrem Tod, eine Windmühle, Springbrunnen mit Blumen, die Beine eines tanzenden Paares, untermalt von samtiger Klaviermusik. Und das klingt jetzt nur halb so kitschig wie es tatsächlich ist. Dass die einzige Malerin sich gerade auf die Tradition des Mediums bezieht, mag symptomatisch für dessen künstlerische Krise sein: Impressionistische Landschaften, Malevitschs "Schwarzes Quadrat" oder Courbets "Origine du Monde" werden von Gilian Carnegie einer kritischen Bearbeitung unterzogen - als ob das Anfang des 21. Jahrhunderts noch notwendig wäre. Die Jury (Nicholas Serota, Louisa Buck, Kate Bush, Caomhín Mac Giolla Léith, Eckhard Schneider) hat also eine erfreuliche Entscheidung getroffen, als sie Simon Starling den Preis (25000 Eur) zuerkannte. Seine schweißtreibende Reise durch die Wüste Tabernas, seine edlen Platinprints von Minen, in denen diese Material selbst gewonnen wird, seine Hütte, zum Schiff um- und nach einer Rheinfahrt wieder zur Hütte retourgebaut: Zwar machen sich die finalen Objekte in der Ausstellung etwas befremdlich aus. Dennoch treffen sie gültige Aussagen über Globalisierung, Kreisläufe und das Verhältnis zwischen Mensch und Natur - das konnte man auch schon bei seiner Einzelausstellung in der Secession 2001 beobachten. Starling, im Gegensatz zu den anderen ein Intellektueller, liegt ganz und gar nicht im Trend der gegenwärtig recht bunten britischen Kunst. Wie gesagt: eine erfreuliche Entscheidung.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Turner Prize 2005
18.10.2005 - 22.01.2006

Tate Britain
SW1P 4RG London, Millbank
Tel: +44 20 7887 8888
http://www.tate.org.uk
Öffnungszeiten: tägl. 10-17.50 h


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