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Egon Schiele: Porträt des Künstlers als Beamter

Bisweilen gab Egon Schiele seinen Werken per Signatur eine Drehung mit. Hatte er sein gern einmal weibliches Motiv ins Querformat gebannt, so wendete das im 90-Grad-Winkel angebrachte "Egon Schiele" das Blatt buchstäblich und versetzte ihm zugleich eine Volte ins Dramatische. In ihrer momentanen Schau, die Schiele in seiner ganzen Dimension als Grafiker vorführt, macht die Albertina auf dieses Verfahren aufmerksam und bringt die Zeichnungen, anders als es speziell Rudolf Leopold praktiziert, in jener Ausrichtung, die Schiele per Unterschrift vorsah. Ein Mal aber, bei einer Dame, deren Bekleidung ganz vordringlich aus einer grünen Kappe besteht, verweigert man sich dieser Treue zur künstlerischen Intention. Zumindest in der Ausstellung. Im Katalog dagegen ist die Dame zu sehen, wie Schiele es vorsah, mit dem Kopf nach unten und in einer Pose, die gewissen Sado-Maso-Präferenzen durchaus Material liefern könnte. Nicht nur angesichts dieser seltsamen Praxis wird man den Verdacht nicht los, dass die Albertina mit Schiele ein Spiel der Verharmlosung spielt. Entsprechend fehlen also auch die herzlich pornografischen Blättern aus den wilden Jahren vor 1912, wo die Frau ganz Vagina ist und die Vagina ganz Nimm-Mich-Haltung. Dass ein solches In-Positur-Setzen auf die eigenen, männlichen, von purer Potenz getragenen Überzeugungen hin nichts anderes als affig ist, steht ausser Zweifel. Doch gehört es zu Schiele, zum Expressionismus und zum Künstlerbild der frühen Avantgarde unabdingbar hinzu. Auch Schieles Eiertänze in der Quarantänestation von Neulengbach gehören hinzu. Die Mischung aus Selbstmitleid und Christusnachfolge, in der er sich im Gefängnis ergeht, ist nicht weniger affig, und auch hier glättet die Ausstellung, indem sie purstes Verständnis heischt für diese extreme Situation der Unsicherheit. Die Avantgarde aber hat sich durchaus wohnlich eingerichtet in ihren Martyriums-Obsessionen, und dass derlei Stilisierungen nicht nur eine existenzielle Dimension besitzen, sondern längst ein Topos geworden sind, hätte auch und ganz dringlich erwähnt gehört. Die Albertina ist an dieser Stelle oft gelobt worden und es traf dabei besonders die Ausstellungen, die nicht als Blockbuster gedacht waren. Bei der Schiele-Schau will man wieder ganz mit dem Pfund der Popularität wuchern. Dass die Wiener Beamtenwitwen ihr Faible für die Zeit um 1900 und die nationale Größe in der Kunst ausleben wollen, sei ihnen ganz unbenommen. Womöglich passt Schiele aber doch nicht ganz zu derlei Verpflichtungen auf Repräsentation. Und die Albertina womöglich auch nicht.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Egon Schiele
08.12.2005 - 19.03.2006

Albertina
1010 Wien, Albertinaplatz 1
Tel: +43 1 534 83 -0, Fax: +43 1 533 76 97
Email: info@albertina.at
http://www.albertina.at
Öffnungszeiten: Tägl. 10-18h, Mi 10-21 h


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