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Traumfabrik der Instant-Stars

Der junge Mann ist an eine Mauer gelehnt. Sein Kopf ist alles, was man sieht. Er bewegt ihn hin und her, vor und zurück. Auf seinem Gesicht spielen Schatten und ein leicht abwesender Ausdruck. Was man dazu wissen sollte: Der Film heißt Blow Job und ebendieser findet unter Ausschluss der Kamera etwa einen halben Meter tiefer statt. "Andy Warhols Filmarbeit ist dadurch charakterisiert, dass er eine totale Kontrolle ausübt, die sich hinter dem alles Zulassen verbirgt", schreibt der amerikanische Filmemacher und Kurator der Retrospektive im Österreichischen Filmmuseum, Jonas Mekas, über die Arbeit seines Freundes im Katalog. Das Zulassen zeigte sich in den Filmen Warhols darin, dass er eine scheinbar unersättliche Gier danach hatte, Filmmeter zu belichten. Zwischen Juli 1963 und Herbst 1968 entstanden etwa 60 noch heute bekannte Filme, einige hundert weitere wurden nie veröffentlicht. Projekte wie "Sleep" und "Empire" dauern viele Stunden und erfassen die ganze Zeit über nur ein einziges Objekt. Berühmt sind die "Screen Tests", 3-minütige "Probeaufnahmen" von Celebrities aus Kunst und Kultur ebenso wie von Andy Warhol-Superstars wie Edie Sedgwick oder Mario Montez. Berüchtigt war Warhol dafür, dass er manchmal einfach wegging und die Kamera aufzeichnen ließ, was immer davor passierte. Worin die Kontrolle bestand, dafür ist schon erwähnter "Blow Job" ein gutes Beispiel: Statisch bleibt die Kamera auf das Gesicht gerichtet. Ähnlich wie bei den "Screen Tests" interessierte Warhol mehr, was sich dort abspielt, als die "Handlung", die er außerhalb des gefilmten Bereichs stattfindet lässt. Der Betrachter wird zum Voyeur, doch was er sieht, ist nicht Sex, sondern eine intensiv durchlebte Zeitspanne in der Existenz eines anderen. Intensität ist es auch, die das einflussreiche filmische Werk Andy Warhols kennzeichnet. Das betrifft vielleicht besonders eine Anzahl von Warhols frühen Filmen, die stumm entstanden sind. Das Fehlen der Tonspur steigert die Bedeutung des Visuellen. Dazu kommt Warhols Praxis, die stummen Filme von 24 auf 16 Bilder pro Sekunde verlangsamt abzuspielen. Der kaum merkliche Zeitlupeneffekt stellt die mit ihm transportierten Bilder nicht bloß auf die Leinwand, sondern gleichsam wie auf einen Sockel. In der Differenz von 8 Bildern pro Sekunde findet ein Medienereignis statt: Die Apotheose des Menschlichen macht aus Protagonisten Stars. 1. bis 31. Oktober 2005 www.filmmuseum.at
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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