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Max Beckmann-Fernand Léger - Unerwartete Begegnungen: Unerwartet enttäuschend

Der Auftakt, zumal auf französischer Seite, könnte nicht kolossaler sein. Unvermittelt konfrontiert man uns mit einer Serie geballter, geradezu ikonenhaft anmutender Weiblichkeit: nackt ins Bild gesetzte Frauenleiber, frontal gegeben, vor neutralem Fond ganz nahe an den Betrachter herangerückt und dadurch das ohnehin schon große Format beinahe sprengend. Als das Augenfällige daran erscheint aber - neben dem unnatürlich grauen oder erdbraunen Teint - die eigentliche Struktur der Körper, denn die sind gebildet aus den geometrischen Grundformen Kugel, Kegel und Zylinder. Und wirklich frappieren diese Bilder, die Fernand Léger vor allem in den 1920er und 1930er Jahren verfertigte und die sich kunsthistorisch gesehen einem geläuterten Kubismus bzw. Cézannismus verdanken, noch heute durch ihre primitive Tektonik und sublime Wucht, die den Figuren etwas eindeutig Statuarisches verleihen. Demgegenüber atmen die Akte des deutschen Mit- oder Gegenspielers Max Beckmann bei durchaus vergleichbarer Bildanlage und Formensprache (schwarze Kontur, formatfüllende, voluminöse Figuren vor flächigem Hintergrund) merklich Sinnlichkeit und Leben, indem sie das Emblematische ebensosehr meiden wie sie sich dem Psychologischen und Anekdotischen öffnen, das dem Moralisten Beckmann darüber hinaus immer auch dazu dient, sich über die Conditio humana auszusprechen. Während die Gegenüberstellung hier aber noch unmittelbar zu überzeugen vermag, schwindet das Einverständnis mit dem Ausstellungskonzept freilich angesichts der weiteren Räume, die grob nach den verschiedenen Bildgattungen (Genre, Landschaft, Stilleben) geordnet sind. Denn es wird allmählich ersichtlich, dass die thematischen oder motivischen Überschneidungen dieser ohnehin völlig konträren Temperamente - hie der zukunftsgläubige Positivist, dort der skeptische Metaphysiker - spärlich und von mehr zufälliger Art sind, und diese Übung im Stilsehen, als die sich die Veranstaltung vorrangig versteht, entgegen dem Ausstellungstitel eigentlich nur bereits längst Bekanntes und in der Literatur durchgängig Erörtertes zutage fördert: dass die beiden Künstler in der Tat voneinander Kenntnis hatten und vor allem Beckmann an Leger Maß nahm, um zu einer formalen Klärung zu gelangen. Wie die Schau anders und vielleicht fruchtbarer hätte arrangiert werden können, verdeutlichen - beinahe wie zum Hohn oder versöhnlicher: gleichsam als Vorschein - gerade die beiden Bilder, die hoch oben an der Stirnseite des letzten und auch wieder schlüssiger gestalteten Raums prangen. Beckmanns ikarusgleich "Abstürzender" und Legers äquilibristische "Les constructeurs" weisen die wahre Gemeinsamkeit der zwei Künstler aus, nämlich dass sie beide große Mythographen waren: Der eine belebte den antiken Mythos neu, während der andere den modernen Mythos der Maschine zu initiieren sich anschickte.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Max Beckmann-Fernand Léger - Unerwartete Begegnungen
21.05 - 28.08.2005

Museum Ludwig
50667 Köln, Bischofsgartenstr. 1
Tel: +49-221-221-26165
Email: info@museum-ludwig.de
http://www.museum-ludwig.de
Öffnungszeiten: Di - So 1018, jeden 1. Donnerstag im Monat 10-22 h


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