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Post-Moderne

Die Zeiten ändern sich und mit ihnen die Bedeutungen. Vor zwanzig Jahren stand Postmoderne noch für eine veritable Epoche, verhandelte die kulturelle Logik des Spätkapitalismus und war ein Synonym für die neue Unübersichtlichkeit. Dann durfte es legerer zugehen, und mit einem der schönsten Ausstellungstitel überhaupt wurde eine "klassische Moderne der Post" ausgerufen; die Schau, 1990 zu sehen in München und Frankfurt, war Robert Vorhoelzer gewidmet, dem Pionier einer funktionalistischen Ausgestaltung jener Gebäude, die dem Paketversand und der Briefzustellung dienten. Der Post eben. Nun, so scheint es, haben wir wieder das Paradigma gewechselt. Die Post-Moderne von heute sind all die Floskeln und Flegeleien, die die Leute ins Internet stellen. Es ist die orthodoxe Moderne des Posting. Die Instruktionen, mit denen die steirische ÖVP ihre Mitglieder auf Pressearbeit einschwor, brachten nur zur Kenntlichkeit, was als Koalition der sich selbst Meinenden sowieso ihr Unwesen treibt. Reaktionen auf Berichte in Internet-Publikationen haben Narrenfreiheit. Bei Postings, so stand es also in dem steirischen Strategie-Papier, dürfe man die Grenze zur Beleidigung ruhig ausloten. Genau dies wird vielfältig getan, mit einem obligatorischen Du, mit Fäkalanwürfen und den ungeschminkten Ausgriffen in animalische Strategien der Reviermarkierung und des Hennen Rennen. Ist wieder einmal zu konstatieren, dass sich die Sitten vollständig verwahrlost haben? Eher ist es wie bei den Bildern von der Gewalt. Wenn beispielsweise mit Spielbergs "Saving Private Ryan" alle Dämme gebrochen scheinen und die Menschen samt ihren Einzelteilen durch die Leinwände fliegen, dass es offenbar eine Lust ist, dann deutet das nicht unbedingt auf Verrohung. Eher darauf, dass die Leute, ganz postmodern, die Darstellungen nicht mehr ernst nehmen. Dass sie die Gemachtheit der Bilder ansehen, aber nicht, was sie womöglich an Botschaft transportieren. Botschaften transportieren ist genauso wenig Sache der Postings. Was sie ihrerseits zum Ausdruck bringen, ist die Tatsache, dass sie gemacht sind, gemacht von Absendern, die zeigen wollen, dass es sie gibt, gerade weil sie anonym bleiben dürfen. Und dass sich weniger eine wie auch immer souveräne und mitten im Leben stehende Person artikuliert als der kleine Mann im Ohr, der immer schon die Sau rauslassen wollte. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist also nicht die Moral, aber die Seriosität derer, die mit ihren Postings einen Debattenbeitrag verbinden. Die ernsthaft diskutieren wollen, die klarmachen, zurückweisen, richtigstellen wollen. Es hilft nichts, wir brauchen auch im Internet eine Leserbriefseite.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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