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Figur - Skulptur: Mitten im Menschenpark

Eigentlich ist er so groß nicht, der "große Saal" der Sammlung Essl im Obergeschoss, teilt er sich doch dessen Grundfläche mit Bookshop und Café. Umso riskanter scheint das Ansinnen, ihn für eine Skulpturenausstellung zu verwenden. Angeräumt, vollgepfercht, verrammelt... derlei Horrorszenarien wollen einem nicht aus dem Kopf. Dass dem letztlich nicht so wurde, verdankt sich einer klug von "propeller z" ersonnen Ausstellungsarchitektur, die das potentielle Sammelsurium mithilfe kniehoher, hellgrün angestrichener Kreissegmente strukturieren und nach Kriterien wie "Archetypen", "Klassische Attitude", "Selbstbild", "Manipulation" etc. bündeln. Neben ihrer Funktion als Podest für kleinere Arbeiten schaffen sie für die Besucher auch die Möglichkeit, sich inmitten der Objekte niederzulassen und laden damit zu einer über den gewohnten Respekt hinausgehenden Annährung an die Kunst ein. Wieso eigentlich überhaupt Skulptur - in dem Haus, in dem die zeitgenössische Malerei hierzulande anerkannterweise zuhause ist wie sonst nirgends? Nun, Karlheinz und Agnes Essl haben ihr sammlerisches Interesse in den letzten Jahren auf die Skulptur ausgeweitet und sich dabei, nicht zuletzt dem Trend der Zeit entsprechend, besonders auf die Figuration konzentriert. Über dreißig Stücke von Künstlern der mittleren und jüngeren Generation zeigt man nun unter dem Titel "Figur / Skulptur". Die thematische Engführung auf die Figur macht Sinn. Aus ihr bezieht die Ausstellung eine gewisse anthropomorphe Qualität. (Was nicht Menschliches darstellt - etwa die Spiegelpaneele Daniel Burens, ein Zebra mit Löwenkopf von Deborah-Sengl, ein Spiderhouse von Louise Bourgeois - wurden im Vorraum zu Bibliothek und Galerie aufgestellt.) Hier hingegen, im großen Saal, wird der Besucher - fast scheint`s: von seinesgleichen - mit Fragen zu seinesgleichen konfrontiert. Da pflanzen sich etwa gleich im Entree zur Ausstellung zwei Lemurenköpfe von Franz West auf, nachbarlich begleitet von einem grobbehauenen Holzmonument Georg Baselitz`? ("Meine neue Mütze"). Weiter vorn heben und senken drei Luftskulpturen Max Streichers unablässig ihre gebläsebetriebenen weißen Körper. Oder es hocken tief am Boden einige kleine Mythenträger der Judy Fox, "Eva", "Ritter Jaguar", "Bruder Tuck". In ihrem Realismus und ihrer Zerbrechlichkeit erinnern sie immer wieder an kleine Kinderkörper. Kontrastierend versieht Jonathan Meese seinen Baby-Soldaten "Iwan" mit einem monströs in den Raum ragenden Penis. Auch ein Erwin Wurm, diesmal mit einem mächtigen Block von Videostills, darf da nicht fehlen. Besonders eindrücklich: der Bereich der "Gruppenphänomene". Mit einer kleinen, aus einem einzigen Baumstamm erwachsenden Sechsergruppe von Stephan Balkenhol, einer Männerstudie des Chinesen Yue Min Jun, die sozialistische Realismen persifliert, und einem abermals männlichen, befremdlich in Kopfhöhe montierten Bronzepaar von Juan Munoz, das sich, fest in zwei Stahlrohrsesseln sitzend, vor Lachen wegzuschmeißen scheint, profitiert dieser Bereich vielleicht meisten von der architektonischen Gliederung. Zu überraschenden Gegenüberstellungen kommt es schließlich im Außenbereich, wo auf der Skulpturenterrasse heimische Klassiker wie Pillhofer und Wotruba durch die Nachbarschaft mit Bronzen jüngerer Künstler (Palladino, Meese, Lüpertz) mit frischer Energie aufgeladen werden. Und ganz am Ende ragt Stephan Balkenhols relativ früh erworbene "Head of a Man" aus 1992 wie ein Landmark in die Welt.
Mehr Texte von Johanna Hofleitner

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Figur - Skulptur
24.06 - 06.11.2005

Essl Museum
3400 Klosterneuburg, An der Donau-Au 1
Tel: +43-2243-370 50 150
http://www.essl.museum
Öffnungszeiten: geschlossen


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