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Ortsspezifik

Ein Bekannter, ich nenne jetzt keine Namen, ist Künstler. Er ist gut im Geschäft momentan, mit vielerlei Verkäufen, prominenter Liste an Ausstellungen, Kuratorenträchtigkeit und dem obligatorischen Nicht-mehr-Nachkommen-mit-der-Produktion. Der Bekannte hat zwei Brüder, und die sind nicht so gut im Geschäft. Der eine hat sich im Handel versucht, der andere ist Handwerker. Wie die Zeit und ihre Läufte es wollten, haben beide ihren Job verloren. Nun arbeiten sie für ihren Bruder, den Künstler. Das nicht soziale aber solide Netz des Kulturellen hat sie aufgefangen. Diese Geschichte gäbe es aus meinem Bekanntenkreis ein zweites Mal zu erzählen. Doch das tut nichts zur Sache, und diese Sache handelt von dem, was so schön Oursourcing heißt. Davon, dass man heimische Arbeit nicht mehr schätzt, weil man sie anderswo zu geringeren Kosten bekommt. Und davon, dass entgegen ihrem Ruf des Internationalen, Globalen, Universalen gerade die Kunst eine der wenigen Angelegenheiten darstellt, die man nicht ins Ausland delegieren kann. In der Kunst verliert man nicht seinen Job, weil man es anderswo billiger macht. 87 Prozent eines Volkswagens, so stand neulich zu lesen, entstehen ausserhalb Deutschlands. Der Anteil des in der Slowakei oder wo auch immer Hergestellten könnte sich auch auf hundert Prozent belaufen, gäbe es nicht die Macht des Labels. Das "Made In Germany" hat immer noch seine Autorität, und so dürfen die Deutschen noch ihre liebe und vor allem teure Hand anlegen, wenn es an die Endfertigung geht. Was ihnen einen Rest an Arbeit gibt, ist die Wirkkraft des Symbols. Und die Wirkkraft des Symbols ist nichts anderes als der Anteil des Kulturellen. In einer Gegenwart, in der man die Putzhilfe aus Polen bezieht, den Zahnarzt aus Ungarn und die Sonne von den Malediven, sind es gerade die Ausstellungen und Festivals, die auf die feste Platzierung setzen. Immer schon konnte die Sopranistin aus Russland stammen und der Bariton vom Balaton. Doch miteinander fügen sie sich von jeher zu einem Gesamtkunstwerk namens Salzburg. Und das findet dann auch in Salzburg statt. Die Kunst hat die Site Specifity erfunden. Mittlerweile, so lässt sich sagen, ist sie der Ortsspezifik letzter Hort. Veranstaltungen wie Art Basel Miami Beach sind bislang noch dafür da, diese Regel als Ausnahme zu bestätigen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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