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Tim Stoner - Natives: Apokalyptische Schattenwesen

Zu den vielen bleibenden Eindrücken, die die Menschheit vom Abwurf der Atombombe behalten hat, gehört ein ganz buchstäblicher. Auf dem verkohlten Reststück eines Hauses ist eine Silhouette eingebrannt, die Spur eines Zeitgenossen von 1945, der das Heller als tausend Sonnen der Physik mit einem makabren Schattendasein büßen mußte. Ein Menetekel ganz ohne göttliche Absicht: Quasi fotografisch ist ein Lichtbild entstanden, die Markierung dessen, wie über den Alltag die Katastrophe hereinbricht. Eine ähnliche Situation wollen die Malereien aufwerfen, die der junge Brite Tim Stoner, Jahrgang 1970, bei Kerstin Engholm zeigt. Natürlich mutet es völlig hybrid an, eine der krassesten Bedrohungen wohlfeil ins Karree bemalter Fläche zu fügen. Das aber weiß der Künstler selbst. Also rückt er die Alltäglichkeit, die er beschwört, ins Idyllische: Leute beim Baden oder gar beim Volkstanz. Und statt die Augenzeugenschaft des Fotografischen zu bemühen, hantiert er mit Farbe und Pinsel. Eine Phasenverschiebung ist so entstanden, weg von der Realität hin zum Medialen: In der Artifizialität gewinnt das, was die Kunst vorführt, zwar nicht Wirklichkeit aber zumindest eine Art von Wiedererkennungswert. Diese Qualität verdankt sich weniger der Entscheidung, was dargestellt ist, als wie es dargestellt ist. Die weiße Zelle des Galerieraumes bekommt etwas Gleißnerisches angesichts der Gemälde, die mit dem Gegenlichteffekt spielen. Die Helligkeit der Lampen und die ihrerseits leuchtenden Fonds der Bilder spannen gleichsam Folien auf, zwischen denen die Motive der Bilder, die ganz banalen Menschen und Landschaften, wie gepreßt wirken. Sie sind selbst Schattenwesen, dunkle Silhouetten, denen die Physik des Lichts keine eigene Körperlichkeit zugesteht. Was Stoner anstrebt, scheint dem Prinzip Malerei inkommensurabel. Doch eine Ahnung des Apokalyptischen erzielt er allemal. Das ist nicht wenig.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Tim Stoner - Natives
15.02 - 30.04.2001

Kerstin Engholm Galerie (alt)
1040 Wien, Schleifmühlgasse 3
http://www.kerstinengholm.com


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