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Alexander Rodtschenko - Moskau: Billige Dunkelkammer

Nun hat auch Wien seinen Monat der Fotografie. Ganz unzweifelhaft ist das eine ganz und gar erfreuliche Tatsache - ganz offensichtlich auch zur Freude der Veranstalter. Insgesamt beteiligen sich immerhin über 70 Institutionen - Museen, Galerien ebenso wie freie Räume - an diesem Festival. Bei all der Euphorie lässt sich jedoch der Eindruck nicht vom Tisch wischen, dass manch ein Haus gar schnell und überhastet auf den fahrenden Zug aufgesprungen ist. Zum Beispiel das Jüdische Museum. Angekündigt wurde eine Ausstellung mit bislang noch nicht gezeigten Moskau-Aufnahmen Alexander Rodtschenkos. Als Übernahme aus dem Moskauer "Haus der Fotografie" versammelt die Ausstellung jene Fotografien, die Rodtschenko zwischen 1925 und 1932 vom zeitgenössischen modernen Moskau aufgenommen hatte. 1932 vom Verlag Isogis als Postkartenserie publiziert und verbreitet, besitzen sie heute Seltenheitswert. Es handelt sich durchwegs um Aufnahmen, die durch die durch die Radikalität ihrer Perspektiven, extreme Blickwinkel, dynamische Kompositionen sowie die Modernität ihrer Sujets überzeugen. Die Revolutionsstimmung der Zeit spielte ihm zu. Da nimmt Rodtschenko etwa einen Fernsehturm steil von unten in den Fokus seiner Leica, fotografiert Höfe, Kreuzungen, Straßen von den Fenstern der obersten Etagen aus oder dreht die schlichten, von unten gesehenen Balkone eines siebenstöckigen Hochhauses so in die Diagonale, dass der Konstruktivismus des Bildaufbaus in einen spannungsvollen Dialog zur Inhaltlichkeit tritt. Ein anderes Interesse Rodtschenkos galt dem durchwegs kommunistisch gefärbten städtischen Alltag: den Aufmärschen, den Arbeitern, ihren strukturierten Tagesabläufen. Ein kleines feines Projekt könnte das sein, wäre es nicht zu Tode inszeniert worden. Denn von dem, was als Rarität angepriesen wurde, sieht man wenig bis nichts, da der ganze Raum durch von der Decke hängende Glühbirnen in (eh klar) tiefrotes Licht getaucht ist und mit Tischen verstellt ist. Die vermeintlich raren Bilder liegen als billige Abzüge in mit Wasser gefüllten Blechwannen, wie in einer Dunkelkammer können die Besucher sie mit einer Pinzette herausheben. Wenigstens ein paar Vintageprints hätten es schon sein können.
Mehr Texte von Johanna Hofleitner

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Alexander Rodtschenko - Moskau
11.11 - 12.12.2004

Jüdisches Museum Wien
1010 Wien, Dorotheergasse 11
Tel: +43(1) 535 04 31, Fax: +43(1) 535 04 24
Email: info@jmw.at
http://www.jmw.at
Öffnungszeiten: So-Fr 10-18, Do 10-20 Uhr, Sa geschlossen


Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
braucht rodtschenko eine inszenierung?
Thomas Geisler | 08.12.2004 02:56 | antworten
liebe johanna hofleitner, vielen dank für die rezension der rodtschenko ausstellung – nämlich nicht nur des inhalts, sondern auch der "inszenierung". Bezgl. der vintageprints gebe ich ihnen recht - einpaar originale hätten nicht geschadet, wobei, wie sie recht bemerkt haben, der "blick" des fotografen das bestechende an dieser zusammenstellung sind und nicht das historisch auratische. Das macht den künstler zu einer zeitlosen größe und nicht zu einem "gefangenen" der kunstgeschichte - daher das zeitgenössische setting. Noch fataler wären digitale reprints - das war nun mal das ausgangsmaterial - in rahmen an der wand (so gesehen bei einer anderen "grossen" fotoausstellung in der stadt). Interpretationen sind subjektiv und damit angreifbar. Jedenfalls laden sie zur Diskussion ein. Ich freue mich schon auf die nächste Interpretation von Rodtschenkos "Moskau" in einer anderen Stadt. mehr unter: http://www.mdf.ru/english/exhibitions/worldwide/rodchenko_vena
Natürlich braucht auch eine kleine (Rodtschenko-)Ausstellung eine Inszenierung
Karl Albrecht-Weinberger, Jüdisches Museum Wien | 09.12.2004 01:31 | antworten
Eine kleine Schau muß sich umsomehr behaupten, wenn am selben Ort eine viel größere, aufwendigere, wenn auch - im guten Sinn des Wortes - "konventionellere" stattfindet. Die Zeit der völlig ungestalteten Ausstellungen, Bilder werden von den Kuratoren nach eigenem Gutdünken gehängt, ist endgültig vorbei! Die hätte es bei der Wiener Tradition, denken sie nur an die legendären Ausstellungen in der Secession, nie geben dürfen. "Billig" darf es nur im Sinne von preiswert sein. Damit jeder, natürlich auch ein in komplizierteren Satzgebilden denkender Kunsthistoriker oder auch -in, auf seine Rechnung kommt, sind an drei verschiedenen Plätzen des Museums die Postkarten in Originalgröße auf Postkartenständern, wie man sie überall sieht, ausgestellt. Man kann sie in die Hand nehmen, drehen, wenden,... die Radikalität der Perspektiven und die Revolutionsstimmung der Straßenszen miterwägen... Jedenfalls wirklich ein umwerfend guter Künstler, der geschaut, gesehen und abgedrückt hat. Und alles in allem bin ich froh, diese Schau im JMW zeigen zu können, kein anderes Museum wollte sie haben! Auf einen Zug mußten wir nicht aufspringen, weil wir wirklich genug an Programm bieten, sondern ich bin nur den Bitten der Kollegen des Hauses der Fotographie in Moskau und den Veranstaltern des Monats der Fotographie nachgekommen. Und da nur ein Raum im JMW zur Verfügugn steht, ist es klein! Weil diese Ausstellung ja nur kurzfristig anfiel, konnten wir auch nicht viel investieren. Daß sie aber gut ist, zeigt nicht nur die Diskussion hier - zu oft kommen wir ja leider, trotz der zahlreichen kunsthistorisch einschlägigen Ausstellungen, im artmag. ja nicht vor. Und übrigens sind die Nachfragen, vor allem von jüngeren Besuchern, häufiger als für die anderen laufenden Ausstellungen, daß wir uns gerne entschlossen haben, diese Schau bis Ende Jänner zu verlängern, um das Rotdschenko-Atelier noch vielen anderen kunst- und anderssinnigen Betrachtern offen zu halten!

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