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Henri Cartier-Bresson - Die Essenz von Paris: Die Summe der Augenblicke

Den entscheidenden Moment, den kairos, das Barthes`sche Punctum - diese Augenblicke zu fixieren ist das erklärte Ziel eines jeden Dokumentaristen, besonders im Bereich der klassischen, straighten, Fotografie. Einer, der sich (und der Nachwelt) dieses Begehren virtuos erfüllte, war Henri-Bresson (1908-2004). Der Kuss eines Pärchens über einem Bistrotisch; eine Braut auf der Schaukel, jauchzend als diese eben den höchsten Punkt erreicht; ein Wasserläufer mitten im Sprung; Alberto Giacometti, wie er mit hochgezogenem Mantel die Rue d?Aléma überquert; der französische Altakademiker in traditioneller Uniform beim Aussteigen aus dem Rolls-Royce - unverwechselbare, unwiederholbare Motive wie diese bannte HCB blitzartig ins Bild. Das ist die eine Facette des französischen Meisterfotografen.Die andere ist die Gabe, aus der Summe solcher Augenblicke ein komplexes Bild einer bestimmten Thematik, einer Beziehung, eines Ereignisses - oder einer Epoche - zu schaffen. Zumal letzteres ist ihm in besonderem Ausmaß mit seiner Schau "Paris à vue d`oeil" ("Die Essenz von Paris") geglückt - einer eigenhändig getroffenen Auswahl von 130 aus insgesamt 2000 Paris-Motiven, die im Lauf von fast fünf Jahrzehnten entstanden sind. Die Auswahl zeigt das Bild einer selbstbewussten europäischen Metropole und ihrer Bewohner, aufgebrochen in die Moderne, der Geschichte verhaftet und dennoch mitten in der Welt stehend. "Essentiell" abgeschlossen wirkt dieses Bild aufgrund der Tatsache, dass sich Cartier-Bresson Mitte der 70er Jahre fast ganz der bildenden Kunst zuwandte und kaum mehr fotografierte, wodurch er das Projekt der unmittelbaren Aktualität entzog. Konzipiert für eine Ausstellung im Pariser Musée Carnavalet, 1984, erlebt diese Schau im Rahmen des heuer neben Paris, der Geburtsstätte des Festivals, erstmals auch in Wien und Berlin stattfindenden "Monats der Fotografie" ein erfreuliches Revival. Mit einer von der Chronologie abweichenden Hängung in kleinen Gruppen gelang es Ausstellungskuratorin Susanne Winkler, nicht bloß den Reportagegehalt dieser Fotografien unterstreichen, sondern auch die Eigenheiten des Cartier-Bressonsschen Blicks zu verdeutlichen: sein Gespür für Kompositionen, Strukturen, Zeichnung. Dennoch bleiben die Inhalte nicht ausgeblendet: so erzählt beispielsweise eine Bildgruppe von der Kultiviertheit und Noblesse der Stadt, andere von Artisten und Kuriositäten, Demonstrationen und Umzügen, Plätzen und Märkten - wobei die Beziehung der Menschen zu ihrer Stadt stets unverrückbar im Mittelpunkt steht. PS: Schön und sinnvoll, dass diese Paris-Ausstellung just im Wien-Museum stattfindet, das eine Schlüsselrolle bei der Vernetzung der drei Teilnehmerstädte spielt - und übrigens parallel im Oberlichtsaal eine ausgezeichnete Schau des Berliner Reportagefotografen Willy Römer bringt.
Mehr Texte von Johanna Hofleitner

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Henri Cartier-Bresson - Die Essenz von Paris
05.11.2004 - 09.01.2005

Wien Museum
1040 Wien, Karlsplatz
Tel: +43 1 5058747-0, Fax: +43 1 5058747-7201
http://www.wienmuseum.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 09-18, Sa, So 10-18 h


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