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Skulptur - Prekärer Realismus zwischen Melancholie und Komik: Wirklichkeit und Widerruf

Früher, da gab es einen sozialistischen Realismus, es gab einen phantastischen Realismus, und wer wollte, konnte auch einen magischen Realismus erkennen. Nun ruft die Kunsthalle Wien einen "prekären Realismus" aus. Er soll speziell in der "Skulptur" zu greifen sein. Auf seine dreidimensionale Weise, das wussten schon die Rangstreitereien der Renaissance, war das Plastische immer näher dran an der Wirklichkeit als die anderen Künste. Nun soll es auch näher dran sein an den Schwierigkeiten, die sich mit der Welt ergeben. Zwischen "Melancholie und Komik" spielt sich diese neue Unaugewogenheit, so weiter die Kunsthalle, ab. Tatsächlich gibt es allerhand Witziges in der Ausstellung zu sehen, ein Paar betonierter Stiefel mit Neonröhre etwa von der Britin Sarah Lucas oder ein Aquarium des Japaners Tetsumi Kudo samt sehr lebensnahem Abguss von menschlichen Händen und ebensolchem Gesicht. Hier läuft das Prekäre rasant ins Groteske über, aber das muss dem Ganzen ja nicht schaden. Es gibt auch allerhand in der Ausstellung zu sehen, das man für melancholisch halten kann, wenn man weiß, was das ist. Der Amerikaner Keith Edmier hat eine Maispflanze aus rotem Wachs aufs Parkett gestellt, gleich nebenan probiert es der Japaner Yoshihiro Suda seinerseits mit Pflanzlichem, das er kaum sichtbar in hölzerner Nachbildung von Boden und Wand hervorblinzeln läßt. Wie immer in Gruppenausstellungen gibt es Gutes und weniger Gutes, Passendes und weniger Passendes, Eindeutiges und weniger Eindeutiges. Das Eindeutigste der ganzen Veranstaltung sind sicherlich ihre Galionsfiguren. Martin Kippenberger, momentan unvermeidlich, und Erwin Wurm, kaum weniger unvermeidlich, liefern mit ihren Skulpturen und Skulpturenbegriffen, ihrer Art von Humor und ihrem Abdriften ins Abgründige der These die glänzendsten Belege. Es gibt ja nun beileibe Schlimmeres als das Schaffen dieser beiden, und da kann eine um sie gerankte Ausstellung nur profitieren. Prekär heißt ursprünglich "widerruflich". Konsequenterweise müsste eine Schau, die den prekären Realismus propagiert, ihrerseits auf Widerruf laufen. Für den Moment aber ist eine solche Zurücknahme nicht nötig.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Skulptur - Prekärer Realismus zwischen Melancholie und Komik
15.10.2004 - 20.02.2005

Kunsthalle Wien Museumsquartier
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521 89-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-19, Do 11-21 h


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