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Intuition/(Im)Precision: Lange nicht ...

Stell dir vor, es ist Herbst und du pilgerst nach Salzburg, um dort jenes Museum zu besuchen, das soeben auf dem Mönchsberg unter Getöse offiziell eröffnet wurde. Du kommst an, gehst durch - und weg, ziemlich enttäuscht. Lange nicht so viel unkoordiniertes Mischmasch gesehen. Schnitt. Neuanfang. Und der passiert interessanterweise auf dem Galeriensektor, wo sich ausgerechnet das für den Mönchsberg nach langen Querelen denn doch nicht vorgesehene New Yorker Guggenheim Museum präsentiert. Dank einer Kooperation mit Guggenheim-Direktor Thomas Krens holt Thaddäus Ropac, der in diesem Jahr sein 20jähriges Galeriejubiläum feiert, für Salzburg die Kohlen aus dem Feuer. Überaus vorsichtig nennt sein Ausstellungskurator die Schau "Intuition/(Im)precision" - aber, sorry Mr. Krens, das ist einfach understatement. Bei aller Intuition: Lange, sehr lange nicht so eine präzise Ausstellung gesehen! Dabei arbeitet Krens, der die Schau großteils mit Leihgaben aus dem Guggenheim Museum sowie Direktanfragen bei Künstlern bestückt hat, mit einem einfachen, ja nachgerade banalen optischen Trick: Im ganzen Haus dominieren Kunstwerke in den Nicht-Farben Schwarz, Weiß sowie Zwischentönen, dazu ganz wenige Farbkleckse. Fast schon überflüssig, dass im Eingangsbereich ein Moby-Dick-Zitat affichiert ist: "Was der Weiße Wal für Ahab bedeutete, habe ich angedeutet; was er zuzeiten für mich bedeutete, blieb bis jetzt ungesagt." Gleich am Beginn eine ganz starke frühe Flavin-Skulptur: nichts als zwei gleißende weiße Neon-Röhren, horizontal in Augenhöhe in einer Wandecke montiert. Daneben ein schöner österreichischer Zweiklang, komponiert aus einem frühen Papiermache-Objekt von Franz West und einem Arnulf Rainer aus den 50er Jahren. Ein Zeichnungsblock von Beuys matcht sich mit einem feinen weißen Wandobjekt Robert Rauschenbergs und neuen Zeichnungsbildern von Francesco Clemente. Fast mystisch baut sich dann in einem eigenen Raum Wolfgang Laibs Installation aus glühendgelben Haselnusspollen auf. In die Realität führt Rachel Whitereads mit einem komplementären "Pair" zurück, in cleanem Weiß zitiert es Leichentischformationen. Thomas Krens versteht sich auf Inszenierung. Aufs Fegefeuer lässt er eine Ikone folgen: Kasimir Malevichs "Schwarzes Quadrat" aus 1915, erstmals überhaupt ins Ausland entlehnt aus der St. Petersburger Eremitage, tagsüber bewacht von zwei Guards. Geradezu undankbar und ungerecht gegenüber den anderen Meisterwerken avancierte das Bild buchstäblich zum Magneten der Schau - während doch gleich nebenan eines von Jackson Pollocks seltenen späteren Drip-Paintings im Kleinstformat - verstärkt durch ein wandfüllendes, leicht gekipptes schwarzes Rechteck Richard Serras und einen großen weißen 20-Teiler Robert Rymans - zu einer Inkunabel minimalistischer Skulptur überleitet: einen pinkfarbigem Filzschnitt-Objekt von Robert Morris aus 1970. Krens inszeniert und inszeniert - und doch wird es nicht zuviel. Geschick des durch museale Bestände Verwöhnten? Mag sein, soll sein. In Salzburg instrumentalisiert der Guggenheim-Direktor sogar das weißgetünchte Treppenhaus über der weißen Holzstiege: Dieses besticht einfach durch - nichts. Mündet wie eine Schleuse im Obergeschoss in zwei Raumfluchten, in denen sich Agnes Martin, Grande Dame der geometrischen Malerei, mit einem Linienbild aus Graphit auf weißem Grund einer beeindruckenden lichten Wandzeichnung Sol Lewitts, einem rhythmisierten Gemälde Robert Rymans, einer feinst ziselierten Zeichnung Shirazeh Houshiarys, ruhigen Seestücken Hiroshi Sugimotos und einer beklemmend überbelichteten Uferlandschaft des Becher-Schülers Elgar Esser stellt. Zu hell, zu viel Licht? Krens versucht zu dämpfen, tut es mit einer blutroten Acrylmalerei Rachel Howards, die offenbar das Laibsche Gelb verstärken soll. Howards Arbeit ist der einzige Patzer dieser Inszenierung. Eigentlich wollte der Guggenheim-Direktor diesmal die Debatte über "Guggenheim in Salzburg" gar nicht aufkommen lassen. Aufgrund der terminlichen Nähe zum nur kurze Zeit später eröffneten Museum der Moderne ließen sich entsprechende Anfragen denn doch nicht abwenden. Dennoch: allen Hoffnungen zum Trotz wischte Krens sämtliche Spekulationen endgültig vom Tisch. Das Thema Guggenheim in Salzburg ist abgeschlossen. Die Ausstellung "Intuition/(Im)precision" war sein schönes Schlusskapitel. Aber immerhin: Ein Hauch von Welt ist Salzburg doch hinterlassen worden. Wenn auch nur für die Dauer einer Galerieausstellung.
Mehr Texte von Johanna Hofleitner

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Intuition/(Im)Precision
03.10 - 10.11.2004

Galerie Thaddaeus Ropac
5020 Salzburg, Mirabellplatz 2
Tel: +43 - 662 881 393, Fax: +43 - 881 39 39
http://ropac.net
Öffnungszeiten: Im August Mo-Sa 10-18 h
Di-Fr 10-18, Sa 10-14 h


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