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Doch die Legende lebt

Er war einer der ganz Großen der Fotografie des 20. Jahrhunderts: Henri Cartier-Bresson, Mitbegründer der Fotoagentur Magnum und unbestrittener Meister des "entscheidenden Augenblicks". 1908 geboren, fand er über den Umweg eines Malerei- und Philosophiestudiums Anfang der 30er Jahre zur Fotografie. Unter dem Einfluss des Surrealismus schloss er sich einer humanistisch geprägten dokumentarischen Richtung der Fotografie an, die frei nach Baudelaires Feststellung, der Maler des modernen Lebens suche "das Vergängliche, das Flüchtige, das Zufällige, die eine Hälfte der Kunst, deren andere Hälfte das Ewige, Unwandelbare ist", das Leben auf der Straße beobachtete. Einige dieser Fotografen hielten das Ungewöhnliche, das besondere Ereignis fest, andere das Allgemeine, menschlich Verbindende. Cartier-Bresson gelang es, beides zu vereinen. Denn zur Legende wurde er wegen seiner Fähigkeit, die große Chance, die in der Fotografie liegt, zu verwirklichen: den Augenblick festzuhalten und zwar in der für die Situation aussagekräftigsten Form. So zählen gar nicht wenige seiner Fotos zu den unvergänglichen Ikonen der Fotogeschichte. Ob es sich um das allgemeingültige Picknick in "Ein Sonntag am Ufer der Marne" (1938) handelt oder den Moment, in dem eine ehemalige Gefangene im "Gefangenenlager Dessau" denjenigen wiedererkannte, der sie denunziert hatte - Cartier-Bresson trachtete stets danach, die Realität in ihren spannendsten Momenten der Vergänglichkeit zu entheben. Er selbst verglich sich dabei mit einem Angler, der sich der Beute vorsichtig nähert, um im richtigen Augenblick blitzschnell zuzuschlagen. Stets Auge, verwandelte er alles, was er sah, in Kompositionen, die in den Dreißigern so ungewöhnlich wirkten, dass man sie für bloß zufällig gelungen hielt. Doch der scheinbare Zufall stellte sich als genialer Einfall heraus. Henri Cartier-Bresson verwirklichte dabei Prinzipien des Surrealismus und schuf Bilder, die in der Verdichtung eines Momentes hinter die Realität blicken ließen. Sein Werk war wegweisend für den Bildjournalismus und die Ästhetik der Fotografie des 20. Jahrhunderts. Wie am Mittwoch bekannt wurde, starb Henri Cartier-Bresson bereits am Montag in l`Isle-sur-la-Sorgue im südfranzösischen Departement Vaucluse. Am 22. August wäre er 96 Jahre alt geworden.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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