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Kunst - ein Kinderspiel

Für alle, die die Geschichte noch nicht kennen, jetzt eine wahre Begebenheit. Constanze, damals fünfeinhalb Jahre alt, ging mit ihrem Papa auf die letztjährige KunstWien. Weil sie aus einem Haushalt kommt, wo viel mit Bildern hantiert wird, nahm sie eine Zeichnung von sich mit, und weil die Eltern einige Galeristen und Galeristinnen kennen, gelang es ihr, das Werk in einer der Kojen zur Präsentation zu bringen. Dort prangte nun das Stück Original, versehen mit einem Schild, auf dem der Vorname der Künstlerin stand und der Preis: 10 Euro. Man hatte sich mit der Galeristin handelsüblich geeinigt, den Gewinn zu teilen. Am nächsten Tag war der Papa allein auf der Messe, und von weitem schon klang ihm der bekannt aufmunternde Ton der Galeristin entgegen und die Frage, wer ihr denn da den Käufer geschickt hätte. Den Käufer? Ja, den Käufer, der Constanzes Zeichnung erstanden hatte. Gekauft mit der Bemerkung "endlich einmal etwas Frisches". Es sei noch angemerkt, dass sich Constanzes Kunst in nichts unterscheidet von den Elaboraten, die man gemeinhin von ihresgleichen kennt. Nicht verschwiegen sei zudem, dass die Galeristin angesichts der Überraschung großmütig auf ihren Anteil verzichtete. Vielleicht war der anonyme Interessent tatsächlich ein Primitivist, ein Anhänger von Art Brut und der unbedarften Kreativität der Kinder. Vielleicht war er auch ein Konzeptualist, der eingedenk der Prämisse, es kommt auf den Kontext an, unmittelbar die Überlegung hegte, wenn es auf einer Kunstmesse ist, dann ist es Kunst. Vielleicht hatte der Sammler einfach selbst Kinder, und er dachte sich, bringe ich etwas mit, was die daheim endlich einmal mögen. Vielleicht aber hat er einfach den Umkehrschluss gezogen aus einer Entwicklung,wie sie seit Jahren zu greifen ist. Gegenwartskunst nämlich wird immer kinderkompatibler. Die Frankfurter Schirn hat gerade eine Ausstellung laufen mit dem Titel "Kunst - ein Kinderspiel". Doch man muss nicht so weit gehen. Es reicht ein Besuch in der Galerie MeyerKainer, wo das Bubenquartett von Gelatin unter anderem eine Puppe präsentiert, die mit den Brüsten wackelt, wenn man ihr aufs Bein drückt. Man kann das ganz hochmögend erklären, kann es garnieren mit Theorien über Interaktivität, Demokratisierung der Kunst und der Ökonomie der Aufmerksamkeit. Womöglich aber ist es schlichte Widerspiegelung. Die Widerspiegelung einer Gesellschaft, die sich im Ganzen mehr und mehr infantilisiert. Deren Emanzipationspotential darin liegt, dass die Leute endlich den Mut haben zur Dämlichkeit... Deren Credo im Mitmachen liegt. Undsoweiter. Neulich ist Constanze mit ihrer Kindergartengruppe übrigens zu den Stimmungsimpressionisten gegangen, die das Obere Belvedere ausstellte. Am Wochenende darauf gab es privat die Installationen von Yinka Shonibare in der Kunsthalle zu besichtigen. Das waren dann "endlich keine blöden Bilder".
Mehr Texte von Rainer Metzger

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