Lisl Ponger - Place Myths, from gray to sunny: Der Mohr und sein Hemd
Als Gauguin, Picasso oder die Expressionisten sich um 1900 Gestaltungsprinzipien der Kunst von damals so genannten primitiven Völkern aneigneten, hielt man das für etwas völlig Neues. So revolutionär sich das formal auswirkte, war es doch nichts anderes als die Fortsetzung der wichtigsten Methode einer Kunstrichtung, die durch die Moderne überwunden zu sein schien: des Historismus. Statt Gotik, Klassik, Renaissance war in der Moderne Primitivismus angesagt, angeregt durch die Kunst zeitlich wie räumlich ferner Kulturen. Hundert Jahre später hat die Globalisierung auch die fernste Kultur erreicht und die Moderne ist längst selbst Gegenstand aktueller Kunst - und kommt dabei aus postkolonialistischer Sicht nicht unbedingt gut weg.
Die Ausstellung von Lisl Ponger in der Charim Galerie handelt unter anderem davon, aber vor allem handelt sie von der Frage nach der Wirkmacht von Bildern. Dazu versammelt Ponger nicht nur Fotos und zwei Videos, sondern auch mehrere Ballen gemusterten Stoffs. Die Aufdrucke zeigen verschiedene Ebenen der kolonialistischen Rezeption des Fremden: Von klischeehaften Südseemotiven über eine alte Weltkarte und Illustrationen mit Strohhütten und Ureinwohnern bis zu primitivistischen Mustern und Camouflage-Motiven reicht die Auswahl.
Eine parallele Geschichte erzählt das Foto, das daneben hängt: Auf die durchgestrichenen Wörter "Missionary", "Mercenary", "Ethnologist" und "Tourist" folgt das nicht gestrichene "Artist", das sich jemand auf den Unterarm tätowieren lässt - Lisl Pongers Reflexion ihrer eigenen Position im (post-)kolonialistischen Spiel. "If I was Emil Nolde today", "If I was Michel Leiris today" und "If I was an orientalist today" heißen drei verwandte Fotoserien.
Mit Hilfe ihrer Hypothese der Identifikation erreicht Lisl Ponger, dass sich über die Fotos von heute das Orientbild von damals legt - und siehe da, es werde Licht! In der Sonne von Damaskus, Kairo, Äthiopien und Dakar wird schlagartig klar, wie viel Vergangenheit die Gegenwart determiniert. Vielleicht das beste Beispiel für Pongers Aufklärungsbestrebungen ist eine Found-Footage-Abbildung der Kamera, die Leni Riefenstahl benutzte, um ihre Version von Afrika festzuhalten. Der Kontext macht es überdeutlich: Die Geschichte dieses Blicks ist mächtig. Seine Bilder sind es nach wie vor.
03.06 - 17.07.2004
Charim Galerie
1010 Wien, Dorotheergasse 12
Tel: +43 1 512 09 15, Fax: +43 1 512 09 15 50
Email: info@charimgalerie.at
http://www.charimgalerie.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 11-18h
Sa: 11-14h