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Der Millionär

Letzte Woche habe ich mir erlaubt, wovor ich mich schon seit Monaten drücke. Voll übler Vorahnung habe ich beim Brandstätter Verlag eine Verkaufszahl nachgefragt, ein Buch betreffend, das ich einst mit heißer Nadel strickte. Jetzt ist ein Jahr vergangen, und es hieß sich erkundigen nach den monumentalen Zahlen, die sich bestätigen sollten, nachdem man sie sich schon während des Schreibens ständig vorsagte. Die Antwort war de nomine ebenso entzückend wie de facto erdrückend: "Lieber Herr Metzger", wurde mir bescheinigt, "hier die - kaum zu glauben - sechsstellige Verkaufszahl Ihres Buches: 000640." Da mein Buch vom Tod handelte und nicht von der Fitness, war abzusehen, dass es weniger Leser finden würde als, sagen wir, die Autobiografie von Dagmar Koller. Aber gleich so wenig! Sagen Sie nicht, den einen sei es eben gegeben, und die anderen erreichten ihren Leser dadurch, dass sie ihm mehr oder weniger täglich einen Artikel vorsetzen. Ich bin nämlich Auflagenmillionär. Vor fünfzehn Jahren, zum van Gogh-Jahr, erschien ein Doppelbänder, auf dessen Cover mein Name an zweiter Stelle prangte, der aber in erster Linie zur Gänze von mir verfasst wurde. Damals war man froh, überhaupt irgendwo vorzukommen. Und schließlich brachte es "Van Gogh - Sämtliche Gemälde" des Taschen Verlages auf sämtliche Wühltische von Frölich & Kaufmann bis Peek & Cloppenburg. Und das Werk brachte es bis in Stanley Kubricks letzten Film. "Eyes Wide Shut" spielt ja um die Weihnachtszeit, und also braucht man auch ein Weihnachtsgeschenk, und tatsächlich sieht man Nicole Kidman, wie sie mit ihrer Tochter eine kleine Kostbarkeit ins Papier wickelt, und dieses offenbar höchst vorzeigbare Kleinod ist mein Doppelbänder! Die Augen weit geschlossen, verfolgte ich die Zeremonie auf der Leinwand. Eingebracht hat mir das im übrigen nichts, wie ich auch seinerzeit von Taschen mit einem Vertrag bedacht worden war, der mitnichten einen prozentualen Anteil an jedem verkauften Exemplar (50 Euro Verkaufspreis mal acht Prozent Honorar macht vier Euro mal geschätzt 1,5 Millionen Auflage macht ausgeschrieben und auf heute umgerechnet 6.000.000 Euro), sondern eine Einmalzahlung von 20.000 Euro vorsah. So war das damals. Anderenfalls hätte es womöglich diese Glosse niemals gegeben.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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