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Janet Cardiff - Walking Thru`: Interaktivität, Interpassivität

"Interaktivität" ist ein ziemlich überanstrengter Terminus seit Beginn der 90er Jahre. Von hübschen mittels Mausklick irgendwie beeinflussbaren Computermustern über begrapschbare Pappmachédinger bis hin zu vom Publikum selbst anzufertigende Zeichnungen reicht das unübersehbare und diffuse Spektrum. Und dann kommt uns Slavoj Zizek mit der Interpassivität daher. Wenn er dies auch nicht unbedingt auf die Kunst bezog und damit das "stellvertretende Genießen" meinte, so lässt sich der Begriff auf einen großen Teil der sich als interaktiv verstehenden Kunstproduktion anwenden. Wenn an und für sich nicht uninteressante Kunst die "Interaktivität" für sich reklamiert, muss sie sich die Frage gefallen lassen, worin die kunstwerksbeeinflussende Aktivität des Publikums besteht, und welchen Erkenntnis- oder Lust- oder Was-auch-immer-Gewinn dieses daraus ziehen kann. In Janet Cardiffs Ausstellung in Francesca von Habsburgs neu eröffneten Space in Progress und im Semperdepot funktioniert die Interaktivität am besten in der ältesten gezeigten Arbeit. "To Touch" (1993/94) besteht aus einem mit hochkomplizierter Technik verkabelten alten Tisch. Streicht man mit den Händen darüber, ertönen Flüstern, Explosionen, Wasserrauschen, Messerwetzen, Drehleiermusik. Keine Bewegung - Stille; Herumfuchteln - irritierende Chöre unvereinbarer Geräusche. Und dazwischen eine Bandbreite von Möglichkeiten. Ganz anders in der eher eindimensionalen aktuellen Installation "Feedback", die Cardiff mit ihrem privaten und künstlerischen Partner George Bures Miller erdacht hat. Sie besteht aus einem Verstärker und einem Pedal. Tritt man darauf, ertönt Jimi Hendrix "Star Spangled Banner", eingespielt von einem anderen Gitarristen. Das interaktive Potential liegt ungefähr zwischen Radioknopfbetätigen oder nicht. Vollends absurd wird es, wenn der/die BetrachterIn zum Luftgitarrespielen aufgefordert wird. Noch absurder, wenn die Arbeit als politische verkauft wird: die Nummer wäre ja gegen den Vietnamkrieg gerichtet gewesen, und heute ist das halt einfach gegen den Irakkrieg. Von soviel Simplizität kann selbst Michael Moore noch lernen. Die Qualität der anderen Arbeiten bewegt sich zwischen diesen beiden Polen. Auf jeden Fall aber eine spannende Gelegenheit, wieder einmal über überanstrengte Begriffe nachzudenken. (Die Installation "The Forty Part Motet" von Janet Cardiff im Semperdepot ist noch bis 12. Mai zu sehen)
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Janet Cardiff - Walking Thru`
21.04 - 26.06.2004

Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (alte Location)
1010 Wien, Himmelpfortgasse 13/9
Tel: + 43 1 513 98 56, Fax: + 43 1 513 98 56 22
Email: office@tba21.org
http://www.tba21.org
Öffnungszeiten: Di-So 12-18 h


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