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Beate Gütschow. Widerstand, Flut, Brand, Widerstand.: Der Garten am Abgrund

Eine Rasenfläche, ein paar Bäume, architektonische Details wie Treppen, halbhohe Abgrenzungen, Wege und gelegentlich auch einige Menschen. Es sind Parklandschaften oder eher kleine, begrünte Plätze wie es sie vielfach in Städten gibt, die uns Beate Gütschow zu Beginn ihrer Ausstellung im Foto Arsenal Wien präsentiert. Die Perspektive ist immer von schräg oben, wie von einer Drohne oder einem mehrere Stockwerke hohen Gebäude aus fotografiert. Auf den ersten Blick findet sich nichts Ungewöhnliches in den Fotografien, außer vielleicht eine gewisse Perspektivlosigkeit. HC, von Hortus Conclusus, nennt Beate Gütschow diese Serie und bezieht sich damit auf die Darstellung von Gärten in der (christlichen) Kunst des Mittelalters und der Frührenaissance. Der verschlossene Garten als Sehnsuchts- und Rückzugsort vor einer immer feindlicher werdenden Umwelt spielt im Zuge der sich verschärfenden Klimakrise ebenfalls eine Rolle. Doch verweigern Gütschows abgeschlossene Gärten den Zutritt einfach dadurch, dass sie so wie abgebildet nicht existieren. Zwar liegen ihren Gärten viele Fotos der einzelnen Objekte zugrunde, doch diese werden von einer 3D-Modeling-Software zu Elementen kombiniert, die dann von der Künstlerin zu den Gartenwelten zusammengestellt werden. Wie schon in früheren Werkserien erschafft Beate Gütschow neue Bildwelten, die sie nach den Regeln der Malerei früherer Epochen konstruiert. Die idealisierte Landschaft bricht sich an der vermeintlichen Realität, die der Fotografie spätestens seit der Digitalisierung vollständig abhanden gekommen ist.

Sehr real und direkt geht es dafür im zweiten Teil der Ausstellung weiter, denn Beate Gütschow ist nicht nur Künstlerin und Fotografin, sondern auch Dokumentarin und Aktivistin der aktuellen Klimagerechtigkeitsbewegung. Wir sehen Menschengruppen mit Transparenten am Abgrund zum riesigen Loch des Braunkohleabbaus vor Lützerath, verbrannten Wald in der Böhmischen Schweiz und Bilder der vom Hochwasser zerstörten Infrastrukturen im Ahrtal nach der verheerenden Flut im Jahr 2021. Als Erweckungsmoment für ihr Engagement bei den Klimaprotesten bezeichnet Gütschow den Sommer 2019, in dem ihr die Rasenflächen für die Serie Hortus Conclusus quasi vor der Kamera wegtrockneten und damit die Klimakrise direkten Einfluss auf ihre Fotografie hatte. Bei ihren Foto-Dokumentationen geht es ihr nicht um die direkten Auseinandersetzungen, etwa mit der Polizei bei der Räumung von Protestcamps. Sie versucht Zusammenhänge herzustellen, den Betracher:innen die Forderungen der Protestierenden näherzubringen und die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf unser Leben zu thematisieren. Besonders eindrücklich gelingt ihr das in den Fotos aus dem Ahrtal, das Beate Gütschow fast ein Jahr nach der Katastrophe besucht hat. Sie vermittelt nicht nur die weitreichenden Zerstörungen durch den Fluss, der mehr als neun Meter hoch über die Ufer getreten war. Beate Gütschow zeigt, wie lange es selbst in einem hochtechnisierten und organisierten Land wie Deutschland dauert, bis auch nur die grundlegende Infrastruktur wie Strom- und Wasserversorgung wieder hergestellt werden kann. Erst kürzlich zeigten sich mehrere Gemeinden per Aussendung erfreut darüber, dass offenbar dieses Jahr mit dem Bau von vier neuen Brücken über die Ahr begonnen werden soll – während sich die Bewohner:innen ganz aktuell auf neuerliche Überflutungen durch vorhergesagten Starkregen vorbereiten…

Mehr Texte von Werner Remm

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Beate Gütschow. Widerstand, Flut, Brand, Widerstand.
22.03 - 23.06.2024

Foto Arsenal Wien
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521890
Email: office@fotoarsenalwien.at
https://www.fotoarsenalwien.at
Öffnungszeiten: Di-So 11-19 h


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