Rainer Metzger,
Konferenzkonformitätsdruck
Am vorigen Freitag hätten sie mich beinahe hinausgeschmissen. Und das aus dem stinkseriösen Palais Liechtenstein. Es war auf der „Pressekonferenz“ betitelten Benimmlehranstalt anlässlich der Museumseröffnung, und ich hatte mich in der Tat geweigert, das, was die Aufsichtspersonen für einen Mantel hielten aber ein Gehrock war, an der Garderobe abzugeben. Und ich hatte vehement das Wort ergriffen, als wir nach eineinhalbstündiger Selbsthymnisierung von Fürst und Verwalter eine weitere Dreiviertelstunde vor der einzigen offenen Tür standen, durch die man in die Sammlungen gelangte, aber nicht konnte, weil sie verstopft war. Ich bin wirklich laut geworden. Das tut mir jetzt leid. Und ich bitte um Verständnis.
Ich bitte um Verständnis, denn es war die vierte „Pressekonferenz“ betitelte Benimmlehranstalt am fünften Tag. Am Montag gaben sie im Kunsthistorischen Museum Giorgione, am Mittwoch gaben sie in der Albertina Rembrandt, am Donnerstag gaben sie im Mumok die Porträts, und eben am Freitag gaben sie Barock. So vielfältig die Ausstellungen, so einfältig das Prozedere. Du stehst da, willst die Bilder sehen und darfst nicht, denn vorher gibt es eineinhalbstündige Selbsthymnisierungen von Hofräten und Hausmeistern. Der Gipfel des Ganzen kommt in der huldvollen Frage, ob es noch Fragen gäbe. Was soll ich denn fragen, wenn ich nicht weiß, was die Ausstellung für Probleme aufwirft. Denn um das zu wissen, müsste ich sie sehen.
Dieser Konferenzkonformitätsdruck hat sich in den letzten Jahren verschärft. Verschärft, weil es früher wenigstens Schlupflöcher gab, durch die man in die Präsentation gelangte, während die Direktoren schwafelten. Vorbei. Jetzt stehst du da, willst die Bilder sehen, darfst nicht und lässt dir den ewig gleichen Sermon verzapfen. Klaus Schröder, auch er ein wortreicher Erklärer, würde sich bedanken, ließe man ihm die B ehandlung angedeihen, die er so selbstverständlich an anderen exerziert.
Warum also machen die das? Halten sie unsereinen wirklich für so schlau, dass sie die Fragen fürchten, die kämen, hätten wir ihre Präsentationen schon besucht? Da kann ich sie beruhigen. Ich war nämlich einmal bei einer Pressekonferenz auf der anderen Seite, und alle, die am Podium saßen, hatten vorab beraten, wie auf eventuelle Invektiven zu reagieren wäre. Aber es kamen keine. Nachher waren wir uns einig, dass Österreichs Presselandschaft nicht wäre, wie sie ist, wären all die bösen Bemerkungen, mit denen wir rechneten, wirklich gefallen. Also, liebe Museumsdirektoren, lasst uns einfach hinein in eure schlauen Schauen. Wir schreiben sowieso nur das Allerliebste.
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