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Niemand ist größer als der Rundgang

Am Ende sind es weniger die Arbeiten, als vielmehr die Bewegung, zu der sie den Anstoß geben, was den alljährlichen Rundgang der Akademie zu dem macht, was er ist. Ein riesengroßes Happening. Eine Klasse, die dies standesgemäß zu verstehen weiß, ist auch dieses Jahr wieder die Bühnenbildklasse. In dem lichtesten und luftigsten aller Stockwerke des Semperdepots erwartete den lebensmüden Besucher ein Ungetüm von einem Bett, auf dass er sich, als heimlicher Hauptdarsteller der ganzen Veranstaltung erkannt, den Blicken preisgebe. Sicher spielte auch die Hoffnung auf authentische Bettgespräche mit. Diese kleine Untersuchung von Intimität wurde im angrenzenden Prospekthof von Dokumentationsmaterial einer Performance begleitet, für die sich Freiwillige in ein verlassenes Haus sperren ließen, alleine mit sich, der Vorstellungskraft und dem Horror einer Berührung mit der Vergänglichkeit.

Ein Stock darunter war ein sehr sehenswerter Film von Olga Shapovalova zu sehen, in dem die Mechanismen und Charaktere der Kunstuniversitätswelt in ein Horrorszenario übersetzt waren. Grauenhaft, und sehr lustig. Neben dem tollen Skript - hilarious hieße es im Englischen - und einer wunderbaren - just wonderful - Umsetzung, gab auch die offensichtliche Nähe zu den Filmen der mitspielenden Charlotte Gash ein Bild gegenseitiger Inspiration und Mitarbeit ab - ganz das Gegenteil des im Film fantasierten Vampirismus unter Kommiliton*innen.

Bestimmen in dem Film Konkurrenzdruck und blutsaugender Egoismus den Kosmos Kunstwelt, so waren auch die vielfältigen Darstellungen menschlicher Beziehungen untereinander, zur Außenwelt und zu sich selbst oft von grundlegender Tragik. Gewalt, Einsamkeit, Verwirrung zeigten sich in den vielen anthropologischen Entwürfen als dominierende Eigenschaften des Menschseins. Die conditio humana, die in vielen Körperbildern zu portraitieren versucht worden war, war nur manchmal auch komisch: Der Turm erkalteter Toasts von Hanne Jannasch, dem die süße wie naive Nachricht "schon vorgetoastet <3" beigefügt war, zeigte immerhin einen guten Willen. (Keinen guten Willen, aber eine mehr oder minder interessante Bandbreite an Umgangsformen zeigte sich an einer Reihe von Lücken an den Ausstellungswänden. Auf die Diebstähle reagierte man* mit Hilferufen oder trockenen Interventionen.)

Letztlich alleine ließ einen auch ein Computerraum, in dem auf einem Dutzend Bildschirmen gleichzeitig verschiedene Filme abliefen. Ausgestattet mit je einem Kopfhörer war von der Gemeinschaftlichkeit eines Kinoerlebnisses nichts mehr übrig. Ein Spiegelbild modernen Medienverhaltens.

Konnten dort Konsumbedingungen beobachtet werden, drückte sich an vielen Stellen ein Verständnis der Kunstproduktion aus, die in einem Polke-Zitat auf die Schippe genommen war ("Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!", Sven Jirka): Intuition vor analytischem Vorgehen.

Und was ist mit der Universität als politischer Raum, in dem diskursive Vielfalt vorgelebt wird? Einige Spuren des brisantesten Konflikts waren in der Aula am Schillerplatz zu sehen: Luftballons in den Farben Palästinas und eine 18 Seiten lange kritische Analyse der Bildsprache von an gleicher Stelle angeschlagenen, mittlerweile abgehängten Plakaten zur Unterstützung des palästinensischen Volks.

⤇ akbild.ac.at

Mehr Texte von Victor Cos Ortega

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