Werbung
,

Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte: Vom German Design zum Retro-Chic

Geprägt durch Bauhaus und Werkbund erlangte das deutsche Design zu Beginn des 20. Jahrhunderts weltweite Bedeutung. Mit der deutsch-deutschen Teilung 1949 entwickelten sich Design und Alltagskultur auf beiden Seiten der Grenze getrennt voneinander weiter – das "Wirtschaftswunder" der BRD stand der sozialistischen Planwirtschaft der DDR gegenüber. 

Das Möbelmuseum Wien präsentiert bis 14. Jänner 2024 eine Schau über das Design der Nachkriegszeit. Die Ausstellung "Deutsches Design 1949 – 1989. Zwei Länder, eine Geschichte" stellt das Design der DDR und der BRD mit über 370 Objekten und zahlreichen Erklärungen und Texten vor. Der Ausstellungstitel umfasst einen sehr großen Bereich – die Entwicklung der beiden Länder von 1949 – 1989.

Nach dem Zweiten Weltkrieg rezipierte die Deutsche Bundesrepublik die sich in den Vereinigen Staaten bereits vor dem Krieg angekündigte Streamline, welche vor allem von der Faszination an den neuen Verkehrsmitteln geprägt war. Die Ära der Maschinen und Geräte prägte vor allem die sechziger Jahre, wobei die siebziger Jahre wiederum von einer westlichen Überflussgesellschaft beherrscht wurden. Als Folge des Konsum- und Gerätefetischismus entwickelten sich in den frühen achtziger Jahren die ersten Versuche des Alternativdesigns; es entstand ein rigoroser Stileklektizismus mit augenscheinlicher Orientierungslosigkeit.

Basierend auf die Zwangsemigration zahlreicher Lehrender und Schüler aus Deutschland bzw. dem Deutschen Reich kam es zu einer beinahe globalen Weiterführung der Bauhausideen durch in verschiedenste Länder emigrierte Bauhausangehörige.

In beiden Teilen Deutschlands herrschte in den Wirren des Wiederaufbaues bis 1948 ein chaotisches Durcheinander. Man versuchte sich mit dem Notwendigsten auszustatten. 1948 erfolgte schließlich die Währungsunion und die Zweiteilung Deutschlands. 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet und mit einer Verfassung ausgestattet. Auf Initiative der NATO stützte sich das Konzept der Armee in ordnungspolitischer Absicht auf eine bevölkerungsbezogene Pädagogisierung und Demokratisierung, die der vom Krieg gezeichneten Gesellschaft ein neues Ansehen und Selbstbewusstsein verleihen sollte. 1949 gilt auch als Gründungsjahr des Titels Made in Germany, welches Germany mit den westlichen Bundesländern gleichsetzte (Bundesrepublik Deutschland).

Die SDP-Fraktion brachte 1949 in das deutsche Parlament einen Antrag für einen „Rat für Formgebung“ ein. Dieser sollte der Erforschung und Begründung der Möglichkeit von Form und Vielfalt von Formen dienen. Erst 1957 wurde schließlich eine Stiftung namens „Rat für Formgebung“ gegründet.

Der Begriff des German Design kann als sachlich – vernünftig – sparsam – neutral – langlebig – solide definiert werden. Das Stilprinzip des Funktionalismus wurde in den sechziger Jahren zur gestalterischen Leitlinie in der BRD. Die Verbreitung der Guten Form erfolgte vor allem durch diverse Sonderschauen und Messen. Die sich entwickelnde Massenproduktion erkannte im Funktionalismus ein geeignetes Instrumentarium zur Standardisierung und Rationalisierung der Produktion. Das Konzept der Guten Form galt bis in die achtziger Jahre als offizielle Designdoktrin.

Der demokratische Westen erfuhr einen schnell verlaufenden Wiederaufbau. Die Alliierten versuchten ihre Ordnungsprinzipien und Lebensvorstellungen zur Reorganisation der deutschen Gesellschaft zu etablieren. Die Besatzungsmächte hatten zweifelsohne ihren wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass auch das Vergnügen und der Luxus des Alltags in dieser Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht zu kurz kamen. Man sehnte sich nach Kinos und Tanzschulen, in denen vor allem die neuen US-Rythmen gespielt wurden.

Durch das verbesserte Wohnungsangebot begannen sich die Großfamilien immer mehr zu zersplittern. Der Wunsch jeder jungen Familie war ihr eigenes kleines Heim. In der Gesellschaft entbrannten heiße Geschmacksdebatten. Vor allem die elektrischen Geräte in der Küche und im Wohnzimmer, welches sich als neuer Wohnbereich herauszukristallisieren begann, erlangten immer mehr Aufmerksamkeit. Die Erleichterung der Hausarbeit durch elektrische Geräte und die telekommunikative Unterhaltung am Abend bildeten bislang zumeist ungewollte Gesellschaftsstrukturen und bewegten die Menschen, sich immer mehr in ihre eigenen vier Wände zurückzuziehen und ihr Zuhause gemütlich einzurichten.

Auch im Freizeitverhalten entwickelten sich neue Verhaltensstrukturen. Die BRDler verreisten mit dem eigenen PKW – oft auch schon mit Wohnanhängern, mit dem Bus oder der Bahn.

Eine breite Verankerung der Formgeber / Designer fand in den Fünfziger-Jahren statt. Die Hochschule für Gestaltung Ulm (HfG Ulm) wurde 1953 von Inge Aicher-Scholl, Otl Aicher und dem am Bauhaus ausgebildeten Max Bill in Ulm gegründet und bestand bis 1968. Die HfG Ulm war eine der ersten Institutionen in den sechziger Jahren, die die Designausbildung in den Vordergrund stellte. Einen wesentlichen Grund stellten die neuen Aufgabenstellungen für die Designer in der Industrie dar. Zahlreiche deutsche Unternehmen engagierten Designer:innen – sowohl für Produkte wiewohl auch für das Corporate Design (Logo, Corporate Colours, Drucksorten, etc.).

In der Deutschen Demokratischen Republik waren sowohl die Voraussetzungen wie auch die Zugänge andere. Die Produktionsstätten waren zerstört und musste bis 1953 hohe Reparationszahlungen an die Sowjetunion leisten. Die Bevölkerung erlebte eine schwierige Zeit. Viele hatten Familienangehörige im Westen, zu denen sie den Kontakt abbrechen mussten. Hilfe aus Westen durfte offiziell nicht angenommen werden.

Am Anfang der Designgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR steht der ehemalige Bauhaus-Gastdozent Mart Stam. Er war überzeugter Kommunist und vertrat stilistisch einen herben Funktionalismus. Er wollte die Menschen zu geistiger Klarheit führen, indem er die serielle Produktion von gut durchdachten Waren propagierte. Die beste Form war seiner Meinung nach die „industrielle Form“. Man kam schließlich zu dem Resultat, dass das Produkt die Menschen „erziehen“ sollte. 1953 emigierte Mart Stam übrigens nach Amsterdam.

Walter Heisig erklärte am III. Parteitag 1950, dass Formalismus etwas sozialismusfeindliches sei und es galt, sich an die Werte der Heimatkunst zurückzuerinnern. Die Problematik dieses „Heimatstils“ zeigte sich in der industriellen Fertigung. Der allgemeine Bevölkerungsgeschmack der Masse war - wie im Westen - vom Kitsch der kleinen Dinge geprägt. Die staatlichen Richtlinien wiederum orientierten sich an klaren und nützlichen Formen. Man förderte einen leicht ornamentierten pseudofunktionalen Industriestil, der Funktionalismus wurde aber abgelehnt. Die Richtlinien der Ingenieure orientierten sich an einer Minimalform, welche eine optimierte Reduktion ohne das ästhetische Gefühl des Funktionalismus darstellte. Nachdem man spätestens in den späten 1950er Jahren die Hoffnung auf ein nationales Erbe begraben hatte, richtete man den Blick auf den westlichen Markt und rezipierte dessen Industrial Design.

Auf der Chemiekonferenz 1958 entschloss man sich, die DDR als Finalproduzenten von Erdölprodukten zu etablieren. Damit begann die Ära der „Plaste“ in der man den gesamten Ostblock von der DDR aus mit Plastikprodukten versorgte. Dieses identitätslose Material wurde zum Zeichen einer zunehmend identitätslosen Gesellschaft. Plastik war genau das, was der Designer aus ihm machte. Das neue Material aus Erdöl war ein Symbol für die Ideologie der Formung des „neuen“ Menschen. Der staatliche Slogan lautete: „Chemie bringt Schönheit!“

Ab 1978 wurde aber doch vom Amt für Industrielle Formgebung in Ostberlin der Preis „Gutes Design“ vergeben. Der Designpreis der DDR sowie der Förderpreis für junge Designer (beide 1979 eingeführt) haben bereits vor der offiziellen Öffnung der Grenzen ein klares neues Qualitätsniveau auf internationaler Ebene angestrebt.

In den Haushalten der östlichen Bundesländer haben sich auch nach der Wiedervereinigung Produkte aus ehemaliger DDR-Produktion erhalten, deren Besitz allenfalls einen gewissen Chic   - oder Sehnsucht nach alten Zeiten - ausstrahlen soll. In der aktuellen Industrieproduktion ist das Erbe des Designs aus der DDR allerdings gänzlich verschwunden.

Mehr Texte von Iris Stöckl

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte
13.09.2023 - 14.01.2024

Möbelmuseum Wien
1070 Wien, Mariahilfer Strasse 88, Eingang Andreasgasse 7
Tel: +43-1-524 33 57
Email: info@moebelmuseumwien.at
https://www.moebelmuseumwien.at/
Öffnungszeiten: Di-So 10-17 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: