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Die Zeit zerfällt oder das Maß an Unordnung: Über die Messunmöglichkeit von Zeit

In ihrer für das Kunsthaus Muerz kuratierten Ausstellung widmen sich Margarethe Makovec und Anton Lederer dem Phänomen Zeit und wie jenes thermodynamische Maß der Entropie Ordnungs- bzw. Unordnungssyteme schafft. In den gezeigten Arbeiten werden unterschiedliche Narrative über längere Zeit- und Wegstrecken sowie Ländergrenzen und persönliche Erfahrungsmomente hinweg in ihrer Komplexität untersucht.    

Den Ausgangspunkt der Ausstellung bildet eine Multimediaarbeit von Teresa Cos über die letzte Reise des Physikers und Entropie Forschers Ludwig Boltzmann nach Duino, wo er sich 1906 suizidierte. Während das Video in einer Projektion vorwärts und in der anderen rückwärtsläuft, befindet sich der Abspann am Boden, wodurch Fragmente der Geschichte entgegen jeglicher Linearität bildlich und akustisch aufeinandertreffen und sich Ordnungsgrade innerhalb einer temporären Einheit verschieben.   

Der Ausstellungsraum ist mit einer Multiplizität an skulpturalen Elementen versehen. Den Eingang markiert eine Wand mit einer imaginierten Wegstrecke von Wien nach Triest, deren Linien von Christina Helena Romira mit Gummibändern gezogen wurden. Dahinter hervorstechend Baumgeäste als Teil einer Arbeit von Hannes Zebedin, die von der Bora, jenem für die Alpen-Adria Region typischen Wind, der bis zu 250 km/h annehmen kann, geformt wurden und dadurch ein natürliches Design erfuhren. In Einklang damit zeigt Zebedin sog. „Karstschriften“ von existierenden Gedichten, die er während der Bora nachgeschrieben hatte. Das Moment der Zeit wird von Anca Benera und Arnold Estefan in einer Wandkartografie festgehalten, jedoch handelt es sich hier um die globale Wasserproblematik, bei der in einer Art Diagramm Kampfhandlungen rund um Wasser in verschiedensten Ländern mit Jahreszahlen versehen sind. Davor platziert wurden DIY Musikinstrumente, die von Besucher:innen aktiviert werden können.

Martin Osterrider zeigt seinen kartografischen Ansatz mittels Fotografien, die er in unterschiedlichen Formaten und Rahmungen aneinanderreiht. Er bezieht sich dabei auf Dinge, die normalerweise keine Beachtung finden, etwa eine schimmelnde Orange, tote Vögel, abgerissene Plakate, die ein Maß an Unordnung suggerieren, vom Künstler aber nach einem visuellen Ordnungsprinzip aneinandergereiht werden. Ryts Monet wiederum widmet sich dem Belichtungsprozess als Fotografie-immanenten Vorgang mit einer großformatigen, länglichen Cyanotopie, bei der das Papier im Schatten in der Nähe von Triest dem Sonnenlicht ausgesetzt und schließlich in der Adria gewaschen wurde. Der Vorgang selbst ist als performativer Akt in einem dazugehörigen Video zu sehen. 

Den hinteren Ausstellungsbereich markiert eine Installation von Anaïs Horn. Sie widmet sich Charlotte von Belgien, die nach der Hinrichtung ihres Mannes Kaiser Maximilian im Jahr 1867 50 Jahre im Schloss Miramare in Isolation verbrachte und als psychisch krank galt. Horn begibt sich auf die Spur von Erinnerungen und psychischer Verstrickungen mit einem hinter einem durchsichtigen Vorhang projizierten Video, auf Spiegel gerahmten Fotos sowie einem großformatigen Fotodruck eines Fensters und einem historischen Fauteuil, um die gespenstische Atmosphäre im Schloss künstlerisch nachzustellen.

Mit insgesamt 17 Positionen durchzieht die Ausstellung ein ausgeklügeltes Netzwerk an Referenzketten, viele davon mit Bezug auf die triestinische Gegend und die umliegende Grenzregion mit Slowenien und weiters Kroatien. In Bezug auf Boltzmanns erforschtes Phänomen der Entropie thematisieren die Arbeiten Momente der Unordnung in an sich geschlossenen Systemen, die kontinuierlich auf den Prüfstand gestellt werden.

Mehr Texte von Walter Seidl

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Die Zeit zerfällt oder das Maß an Unordnung
02.12.2023 - 18.02.2024

Kunsthaus Muerz
8680 Mürzzuschlag, Wiener Straße 35
Tel: +43 3852 56200, Fax: +43 3852 56209
Email: kunst@kunsthaus.muerz.at
http://www.kunsthausmuerz.at/
Öffnungszeiten: Do - Sa 10-18, So 10-16 h


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