Findungskommission mit Haltung
Der Paukenschlag: Die komplette noch übriggebliebene Findungskommission für die documenta 16 ist zurückgetreten und hat damit ein unmissverständliches Statement abgegeben. Ihre glasklare Begründung lautet: In einem Klima der „over-simplification of complex realities and its resulting rectrictive limitations“ sei ihre Auswahl-Arbeit für die nächste documenta unmöglich geworden. Ein signifikanter Höhepunkt für diesen unheilvollen Prozess war jüngst die Rede von Slavoj Žižek im Rahmen der diesjährigen Eröffnung der Frankfurter Buchmesse: Obwohl sich Žižek deutlich von dem Massaker der Hamas am 7. Oktober distanzierte, führte sein Aufruf, trotzdem mit Palästinenser:innen zu reden, zu Tumulten. Spätestens seitdem ist eine Schwarz-Weiß-Malerei, die zwischen Palästinenser:innen und Hamas genauso wenig unterscheidet wie zwischen Kritik an Israel und Antisemitismus, an die Stelle eines ergebnisoffenen Diskurses getreten. „Starke Vereinfachungen“ im Schulterschluss mit der Forderung nach unbedingter Solidarität mit Israel bestimmen so nicht nur in Deutschland über weite Strecken das kulturpolitische Klima. So werden „restriktiv“ bereits vergebene Buchpreise nicht verliehen, Ausstellungen abgesagt oder verschoben, Kurator:innen und Journalist:innen entlassen, Symposien verhindert, Andersdenkende diffamiert. Diese „Ausgrenzungen“ machen auch vor der (jüdischen!) weltweit anerkannten feministischen Theoretikerin Judith Butler nicht halt. Sie hat Israels militärische Angriffe im Gazastreifen wie viele andere auch als „Genozid“ bezeichnet und wird deswegen jetzt stark angefeindet. Judith Butler weigert sich daraufhin noch in Deutschland aufzutreten, spricht von einem „Gefühl der Bedrohung in Deutschland“. Meinungs- und Redefreiheit erscheinen in diesem rigiden Klima beinahe als Unmöglichkeit. Die Findungskommission der documenta 16 hat da jetzt selbstbewusst und geschlossen eine klare Haltung bewiesen: Ohne uns! Gut so.
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artmagazine Diskurs zum Rücktritt der Findungskommission:
Hier ein Beitrag von Hans-Jürgen Hafner: --> Zensur, anybody?
