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Leidenschaft als Attraktion

Zum 19. Mal findet heuer die Vienna Art Week statt, heißt, die "wichtigsten Kunstinstitutionen Wiens", "Top-Galerien", einige Independent Spaces und rund 50 Künstler:innen laden bis Freitag zu über 100 Führungen, Diskussionen und Performances in ihre Ateliers und Ausstellungen, das alles bei freiem Eintritt. Für eine inklusivere "Vienna Art Week für alle" sorgen dieses Jahr barrierefreie Shuttlebus-Touren, Führungen in einfacher bzw. Gebärdensprache sowie solche für sehbehinderte und von Demenz betroffene Menschen.

Abseits davon konnte erneut ein Gebäude für eine eigene Ausstellung gefunden werden, dieses Mal ein abrissreifer Bau hinter dem Westbahnhof, in dem sich früher mal eine Weberei und Wohnungen befanden. Die drei Stockwerke sind mit Werken zum Ausstellungsthema "Inciting Passion" bespielt. Der Flair der verwitterten Zimmer, oft noch vollständig eingerichtet, spielt mit.

Die Darstellung der Leidenschaften als Gegenstand der Künste, als ihre Triebkräfte und Konsequenz zeigt sich dabei trotz des kuratorischen Ansinnens, die "Kraft und Komplexität von Gefühlen jenseits heteronormativer sexueller Identitäten und konservativer Vorstellungen von Liebe, Sex, Romantik, Erotik, Lust und Beziehungen" zu erkunden, mitunter selbst recht konservativ. Die Inszenierung beispielsweise vorgefundener Pin-Up Fotos in einem Hinterzimmer des Hauses ist eine doch recht billige Art der Selbstvergewisserung, und das Ausstellen einer Kitschgrube voller Kondome und Sexspielzeug zur Hinterfragung von Klischees eine eher reibungslose Form der Konfrontation.

Arbeiten wie "Silent Mountain" (2001) von Bill Viola, die den Leiden-Schaften ein stummes und kraftvolles Videobild gibt, oder die Gedichte von Tracey Emin und auch die Videoessays "Writing desire" (2000) von Ursula Biemann zum Geschäft mit weiblichen Körpern, sowie "Dear D" (2015) von Marge Monko, in dem das Verfassen eines elektronischen Liebesbriefs Anstoß zu weitläufigen Gedankengängen ist, bieten dagegen subtile Annäherungen und unterschiedliche Zugänge in Bezug auf den Gebrauch von Sprache, dieser Ausdrucksform, in der sich die Leidenschaften so sehr entfalten und der sie sich gleichzeitig so sehr entziehen.

Der entstandene Verdacht allerdings, dass Haus und Seelen als Attraktion benutzt werden, die Künste verklärt und identitätspolitisch bloß Flaggen in den Wind gehangen worden sein könnten, wirft einen unguten Schatten auf Werke, in denen Gewalt an menschlichen Körpern, aber auch an nicht-menschlichem Leben verhandelt wird. Bei Letzterem stellt sich überhaupt die Frage nach dem Zweck einer Arbeit im "House of Inciting Passion", die sich mit ökologischem Kolonialismus auseinandersetzt. Denn stärker als das dem Werk immanente Einfordern von Mitgefühl wirkt in dieser Umgebung der symbolische Gehalt der Arbeit, der zu ziehen verspricht, so wie die Atmosphäre von lost places, von Sex und einem Kunstbegriff, der in ein Emoji passt.

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Alle Programmpunkte unter --> viennaartweek.at

Mehr Texte von Victor Cos Ortega

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