
Curated by: Thema verfehlt
Ein seltsames Statement hat das Wiener Galerienfestival „curated by“ jetzt in seinem eigenen Flyer abgegeben: Einerseits betont man da zutreffend, dass das diesjährige Thema, die Neutralität, „ins Zentrum der politischen und kulturellen Aufmerksamkeit gezwungen wurde“, andererseits aber wird beteuert, dass „das Politische nicht als Grundton“ des Festivals gesetzt wird, „eher im Gegenteil“. Die Künstler-Kuratorin Pinar Öğrenci bringt in dem Begleittext für ihre Ausstellung „Unfair Game“ in der Galerie „Exile“ das sich daraus ergebene Problem auf den Punkt: „Wir wurden eingeladen eine Ausstellung über Neutralität zu kuratieren, als wenn es keinen Krieg um uns herum geben würde, als hätten wir soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit, sowie Fremdenfeindlichkeit hinter uns gelassen und einen Zustand des allgegenwärtigen Friedens und Konsens’ erreicht“.
„Curated by“ beschränkt sich also, zumindest programmatisch, brav darauf, das selbst gewählte Thema Neutralität als „ästhetische Strategie“ oder als „Zurückweisung binären Denkens“ (Flyer) zu beleuchten. Mit diesem nicht zuletzt marktkonformen Konzept hat man dann gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Kunst kommt so als vor allem ästhetisches Unterfangen auf den Masterplan, zweitens darf es hier zudem als intellektuelle Aktion punkten und drittens wird die Option, mit und als Kunst politisch zu agieren, überaus bestimmt zurückgewiesen. In letzter Konsequenz bedeutet das apolitische Verdikt des „eher im Gegenteil“ dann ein L’art pour l’art und ein Denken des Denken willens.
So überzeugen dann auch - nicht nur, aber vor allem - besonders jene Ausstellungen bei dem diesjährigen „curated by“-Festival, die sich nicht an das vorgegebene Konzept halten oder dieses nur als Vorwand benutzen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die besagte, von der Documenta 15-Teilnehmerin Pinar Öğrenci kuratierte Ausstellung in der Galerie Exile, die mit poetisch-engagierten Arbeiten türkischer Künstler.innen die aktuelle türkische „Kurdenpolitik“ in all ihrer Fragwürdigkeit thematisiert, ja anklagt. Und auch die von Cathrin Mayer bei Georg Kargl Fine Arts kuratierte Ausstellung „Comizi d’Amore“ schert mit ihrer klugen Auswahl von inzwischen schon zu den „Klassikern“ der politischen Kunst gehörenden Künstler.innen wie Julia Scher, Renee Green und Sharon Hayes aus dem all zu engen Rahmen des „eher im Gegenteil“ aus.