Autumn Leaves - Pflanzen in der zeitgenössischen Kunst: Kunst statt Kohle
In der weststeirischen Kohlestadt Köflach, in der bis 2006 Braunkohle gefördert wurde, ist die Natur zu Gast. 24 namhafte österreichische Künster:innen der Gegenwart beschäftigen sich in ihrem Oeuvre mit Pflanzen. Die faszinierende Vielfalt der Natur ist ebenso variantenreich wie die Darstellungen der ausgestellten Kunstwerke. Neben malerischen Werken werden grafische Arbeiten, Skulpturen und Installationen gezeigt.
Pflanzen hatten in der Kunstgeschichte zuweilen symbolischen Mehrwert. So ist eine Lilie – wie wir von christlichen Darstellungen wissen – als mariologisches Symbol zu sehen. Ebenso symbolträchtig ist auch der Titel der Ausstellung, basiert dieser doch auf einen Jazzsong von Eric Clapton, in dem die Melancholie und Vergänglichkeit besungen wird:
The falling leaves drift by my window
The autumn leaves of red and gold
Aber nichtsdestoweniger strahlen die farbenkräftigen Kunstwerke in der Ausstellung. Sie erfreuen, sind allesamt von sehr hoher künstlerischer Qualität und geben den Besucher:innen beim Betrachten Kraft.
Karin Pliem lädt mit Concursus Naturae II von 2015 in ihre Bildräume ein. Die großformatigen Leinwände sind durch ihre dicht gemalten Pflanzenwelten wie ein Wunderland, in das man eintaucht und sich geschützt darin bewegt. Wie Lianen winden sich die Pflanzenstränge an der Leinwand entlang.
Gegensätzlich dazu ist das zweite von Karin Pliem gezeigte Werk Pepino, the Buddha and Rambutan in front of Pak Ou II von 2023. Die heiligen Höhlen am Mekong zählen zu den bedeutendsten buddhistischen Kulturstätten in Laos. Karin Pliem lässt über dem liegenden Buddha prächtige, dreidimensional erscheinende Pflanzen und Wirbel aufsteigen, die – so scheint es – vor dem Betrachter aus der Maloberfläche herausragen und sich wie eine Skulptur oder ein Blumenmeer aufbauen. Die gemalten Litschis möchte man am liebsten erhaschen und vernaschen.
Alfredo Barsuglia hat zwei Zimmerplanzen in die Ausstellung eingebracht. Er tituliert die Werke April und Juni. Beide Leinwände sind 2023 im hyperrealistischen Malstil entstanden. Wird die Zimmerpalme mit einer Scheibe / einem Kreis partiell überdeckt, so ist es der Buchstabe f bei der sich im blauen Übertopf stolz präsentierenden Pflanze. Wie so oft bei den Werken gibt es noch Beigaben – im konkreten Fall eine Holzleiste. Alfredo Barsuglia spielt mit Fläche und Raum. Wohl ist ihm der Raum als Ganzes wichtig, um dem Betrachter eine ganzheitliche Wahrnehmung zu vermitteln. Dieses Konzept ist immer wieder in Ausstellungen des Künstlers zu beobachten.
Such(a)Bild, so der Titel von Franziska Maderthaners 2023 entstandenem Blätterbild auf schwarzem Malgrund zeigt die vierte Dimension auf. Alles scheint sich zu bewegen und der Komposition zu entfliehen. Die farbenfrohen Abbildungen der Blätter werden mit einem kräftigen Lichtstrahl heroisiert. Flüchtige monochrome Pinselstrahlen scheinen der Bewegung hinterherzueilen, verlieren sich dann aber doch scheinbar in der Dynamik auf der Leinwand.
Karen Holländer hat ihre Darstellung im Zaum gehalten. In Über den Rand wachsen lässt sie einen Strang Löwenzahn zwischen zwei Leinwandteilen herauswachsen. Wie Unkraut scheint die Durchdringung der Leinwandritze. Die Darstellung selbst ist ästhetisch und wirkt dreidimensional. Sie bereichert die mit Schattenfuge eingerahmten Leinwandteile.
Christy Astuy lädt in ihren Blue Garden von 2012. Fast hat man den Rosenhag von Stefan Lochner aus dem 15. Jhd. vor Augen. Christy Astuy lädt mit klassischen Elementen in einen Paradiesgarten, der der Zeit entrückt ist. Seerosen wachsen unter einem wassersprudelnden Bassin aus einem Trog mit Totenkopf. Es soll wohl auf die Vergänglichkeit hinweisen. Wir stehen vor einer lebhaften Darstellung mit üppiger Vegetation, in die die Zeit mit mehreren Elementen eingebaut ist. Nebst der Vergänglichkeit sind es wohl die in großer Anzahl angeordneten Steine, die für die Ewigkeit stehen sollen.
Wer kennt eine Yellow Peony? Richard Jurtitsch hat 2021 eine solche gemalt. In Österreich sind die weißen und roten Pfingstrosen bekannt. Gelbe Pfingstrosen gelten als sehr selten. Wohl war das auch Richard Jurtitsch bewusst, als er diese rare Blüte malerisch auf der Leinwand festgehalten hat.
Jardin Privé, so nennt Eva Wagner ihre 2022 entstandene Serie. Vorhangartig – wie ein Schleier – wird der Garten vom Betrachter getrennt. Hinter einem gelben Farbmantel scheinen die Pflanzenteile wie in einem sakralen Leuchtlicht. Die Künstlerin spielt mit dem Raum und dem Licht und ordnet die eigentliche Darstellung dem Ganzen unter.
Sonia Gansterer zeigt Dirty Flowers von 2015. „lock mich in die feuchte nacht“, „mach mich nass“ oder „machs mir von hinten“, so die eindeutig zweideutigen Titel, die sie assemblageartig durch florale Elemente ergänzt.
Wer ist der Beste? Gabriele Schöne titelt ihr 2022 entstandenes Werk, in dem sie auch originalen Trachtenstoff verarbeitet hat, Le meilleur. Ihre Pflanzen und Blumen erscheinen überdimensional. Wollen sie dem Betrachter mitteilen, wie relativ Größe ist?
Josef Kern scheint von der Iris angetan. Steht die Pflanze doch für den Regenbogen und kann – gemäß der griechischen Mythologie – Winde erzeugen. Eine Leinwandarbeit ist neben einem Werk auf Glas in der Ausstellung zu sehen.
Eine der wenigen Skulpturen in der Ausstellung ist das Werk Reif von Bernhard Tragut aus dem Jahr 2013. Aus einer geöffneten Blüte erwachsen keine Staubblätter sondern ein nacktes erwachsenes Menschenpaar – Adam und Eva einmal anders betrachtet.
Weniger erotisch, sondern einfach nur Blume (so auch der Titel des bronzenen Gänseblümchens) betitelt Thomas Stimm sein frisch lackiertes Werk von 2023. Ein 116 cm hohes Gänseblümchen lässt eine Betrachtung auf Augenhöhe zu.
Ronald Kodritsch, der seine Leinwände bekannterweise wild bearbeitet, hat sich nun auch den Blumen verschrieben. Seine Serie Punky Flowers von 2022 erinnert an die Farbenpracht von Gustav Klimt. Man ist tatsächlich bemüht Porträtdarstellungen in seinen wilden Blumenakkumulationen zu finden, was schlussendlich aber nicht gelingt.
Ebensowenig gelingt es in den Raumkasten von Martin Schnur einzudringen. Seine stark räumlich aufgebaute Leinwandarbeit ohne Titel von 2023 lässt den Betrachter in einen sphärischen Wald eintauchen, der scheinbar schwebt.
In Martin Praskas Lichtungen von 2019 / 23 ist der Wald klassisch dargestellt. Allerdings hat er den Wald – es erinnert an Farbplatten von analogen Fotoapparaten - mit bunten Ellipsen übermalt. Der Wald steht in einem anderen Licht da.
Die Ausstellung wurde von Franziska Maderthaner und Karen Holländer kuratiert und zeigt mit diversen Positionen auf, dass Österreich sehr wohl ein Land der Malerei ist. Gerade in unruhigen Zeiten, die wir durchleben, ist das Eintauchen in die Kunst wichtig. Natur ist heilsam – auch wenn sie nur gemalt ist oder als Skulptur vor uns steht.
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Teilnehmende KünstlerInnen: Christy Astuy, Alfredo Barsuglia, Thomas Baumann, Peter Hauenschild, Karen Holländer, Sonia Gansterer, Richard Jurtitsch, Josef Kern, Ronald Kodritsch, Alexandra Kontriner, Franziska Maderthaner, Alois Mosbacher, Karin Pliem, Martin Praska, Ingrid Pröller, Bianca Regl, Frenzi Rigling, Anna Schnur, Martin Schnur, Gabriele Schöne, Anna Stangl, Thomas Stimm, Bernhard Tragut, und Eva Wagner.
Die Ausstellung wird im Anschluss (Datum noch nicht bekannt) in der Kunstfabrik in Groß Siegharts gezeigt.
16.09 - 26.10.2023
Kunsthaus Köflach
8580 Köflach, Bahnhofstraße 6
Tel: +43 3144-2519-780
Email: kunsthaus@koeflach.at
https://www.kunsthaus-k.at/
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-14, Sa, So 14-17 h