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Tarik Kiswanson - Afterwards: Nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe

Im Großen Saal des Salzburger Kunstvereins ist derzeit ein Ensemble von Kunstwerken zu sehen, das einer Theateraufführung ähnlich, den Raum bespielt. Es sind Werke des palästinensisch-schwedischen Künstlers Tarik Kiswanson, der in Paris lebt und heuer für den Marcel-Duchamp-Preis nominiert wurde.

In seinen Arbeiten stellt Kiswanson die Frage nach einem Leben nach der Katastrophe. Er thematisiert und abstrahiert seine palästinensischen Wurzeln, die Migration, die in den Erzählungen der Eltern und Großeltern noch spürbar ist, sowie sein eigenes Aufwachsen in Schweden als sichtbar Anderer, schon erkennbar an seiner Hautfarbe.

Wie lassen sich nun geopolitische Veränderungen und persönliche Schicksale verwebend darstellen? Dabei interessiert Kiswanson auch die Geschichte Nachkriegseuropas, das hier im Kunstverein durch das Ausstellen von Sesseln aus der Nachkriegszeit zur Ansicht kommt. Auf einem befindet sich ein ellipsoider fester Körper, der auf der Sitzfläche zu balancieren scheint.

Diese „Ei-ähnlichen“ Skulpturen entwickelte Kiswanson in den letzten Jahren. Ein etwas größerer Corpus scheint unter dem Titel „Nest“ an der Wand zu schweben. Es ist der Vorgang des Verpuppens der Raupen zum Schmetterling, der Kiswanson interessiert und er bedient sich dieses biologischen Vorgangs um seine Ideen von menschlicher Verwandlung darzustellen. Wie die Raupe in einer Metamorphose zum Schmetterling wird, so verändert sich der Mensch durch Krieg, Vertreibung, Verlust und Ortswechsel. Dabei interessiert Kiswanson vor allem das Erleben der Nachfolgegeneration, die schon im Exilland geboren ist. Wie transformiert diese Generation die Geschichte ihrer Vorfahren und wie und wohin definiert sie ihre Zugehörigkeit? Für diese Fragen eine Bildsprache zu entwickeln, ist Thema der Ausstellung im Salzburger Kunstverein.

Der große Saal im Kunstverein scheint durch das optische Zusammenspiel der Objekte leicht zu vibrieren und zu schwingen und ähnelt damit auch einem Konzertsaal.

Unterstrichen wird diese Wahrnehmung durch die Soundinstallation des irischen Künstlers Stephan Shannon der die Videoinstallation von Aideen Barry unterlegt. Im Kabinett des Kunstvereins zeigt Barry den Videofilm „The Song of the Bleeding Tree“, bei dem ein blutender Weißdornbaum gezeigt wird, dessen Wurzeln in lungenähnlichen Gewächsen enden. Damit thematisiert Barry die Feen- und Koboldwelt der irischen Alltagsmystik und den Verlust gesunder Ökosysteme. Weiters behauptet Sie, dass ihre Generation der Anfang 80er Jahre geborenen, die letzte ist, die noch eine halbwegs intakte Welt vorfindet. Bei den lungenähnlichen Gebilden handelt es sich übrigens um Nachgeburten, die nach irischer Tradition unter einen Weißdornbaum gelegt werden. Begleitet werden noch zwei kleinere Videoinstallationen von der Klanginstallation, die sphärisch den Mystizismus dieser Arbeiten unterstreicht.

So sind also zwei Ausstellungen im Salzburger Kunstverein zu entdecken, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist die intellektuelle und sensualistische Auseinandersetzung bei Tarik Kiswanson mit Inhalten und Oberflächen. Und bei Aideen Barry die meditative gefühlsbetonte Narration von Gewesenem und Kommendem.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Tarik Kiswanson - Afterwards
19.07 - 10.09.2023

Salzburger Kunstverein
5020 Salzburg, Hellbrunnerstrasse 3
Tel: +43 (0) 662/84 22 94-0, Fax: +43 (0) 662/84 07 62
Email: office@salzburger-kunstverein.at
http://www.salzburger-kunstverein.at
Öffnungszeiten: Di-So 12-19h


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