Delaine Le Bas - Incipit Vita Nova. Here Begins The New Life/A New Life Is Beginning: Der Zeit ihre Geister
Die Fußspuren beginnen vor einer Wand, zeichnen einen kurzen Weg auf, und dann verschwinden sie - einfach so, mitten im Raum - ins Nichts. An anderer Stelle steht ein Paar Schuhe - bereit, angezogen zu werden. Kostüme hängen als leere Hüllen schlaff von der Decke. Alles Fehlstellen, die einen Verlust markieren. Die gleichzeitig aber auch Platzhalter sind an denen sich das Verlorene zeigen kann. Das Verlorene, das ist für Künstlerin Delaine Le Bas zum Einen die verstorbene Großmutter, ihr wichtiger persönlicher Bezugspunkt. Zum Anderen ist es aber auch eine verlorengegangene Art des Zusammenlebens: In Gemeinschaft mit Mensch, Erde, Tier. Und schließlich ist es auch eine Art der Beziehung zu sich selbst: "Know thyself" - Erkenne dich selbst, fordert sie.
Das Partikulare einer zerrissenen Beziehung zu einer nahen Verwandten fließt zusammen mit der Rahmenerzählung einer Gesellschaft, die sich ihrer alten Bindungen oft nicht mehr erinnert, und die Stück für Stück verschiedene Erzählungen von Welt ausklammerte, bis nur mehr die so genannte Realität übrig war. Um die Bande wieder zu knüpfen ist ein Setting entstanden, das aus Räumen und Fluren der Kunstinstitution psychotopologische Orte und Passagen macht. Die Böden sind mit Stoffen bespannt, die Wände mit Folie zu Spiegeln versilbert, Nischen und Rückzugsräume sind eingezogen, Wege gelegt und Altäre gesetzt. Der Versuch, einen Zwischenraum zu schaffen und in das Grenzgebiet vorzustoßen wo Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen und sich Dimensionen überschneiden ist als umfassendes Raumerlebnis gestaltet. Es riecht nach Heu.
Es bleibt, gleichwohl, bei Reminiszenzen. Die Projektion eines Videos zeigt die Künstlerin bei einem Ritual vor Ort. Was an Energie davon erhalten geblieben ist, ist von der Art einer archäologischen Stätte. Auch gerät der Versuch, die Vielfalt - und die Gemeinsamkeit - verschiedener Perspektiven/Glaubenssysteme einzufangen zu einer eher stereotypen Formensprache. Ganz im Gegenteil dazu sind viele Details mit offensichtlicher Hingabe und Sensibilität gearbeitet und eine substanzhaltige Grammatik in der Inszenierung von Räumen und Artefakten erkennbar. Wieso bei der Reichhaltigkeit, die sich da bietet, auch noch das Kunstschaffen reflektiert werden muss ("How can you make art in chaos?")?
30.06 - 03.09.2023
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