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O Quilombismo: Die Kampfansage

Schon der Titel der Ausstellung hat es in sich: „O Quilombismo Von Widerstand und Beharren. Von Flucht als Angriff. Von alternativen demokratisch-egalitären politischen Philosophien“. „Quilombismo ist ein antiimperialistischer Kampf, er artikuliert sich im Schulterschluss mit dem Panafrikanismus und erklärt seine radikale Solidarität mit allen Völkern der Welt, die von Ausbeutung, Unterdrückung und Armut betroffen sind oder mit Benachteiligungen aus Gründen von race, Hautfarbe, Religion oder Ideologie zu kämpfen haben“ erklärt dann das Handbuch zur Ausstellung und somit auch deren inhaltliches Konzept. Strukturell geht diese selbstbewusst-offensive Idee – die nicht von ungefähr an jene der letzten Documenta erinnert – einher mit dem Anspruch, aus dem Berliner „Haus der Kulturen der Welt“ ein „konviviales, kollektiv organisiertes und pluriversales Haus zu machen“.

Letzteres gelingt „O Quilombismo“ vor allem im Außenbereich des Hauses. So steht jetzt auf der Grünfläche vor dem „HKW“ ein hölzerner Pavillon der Berliner Architektengruppe „raumlabor“, der mit seiner offenen Struktur zur gemeinschaftlichen, „konvivialen“ Nutzung einlädt. Performances finden da ebenso statt wie die Präsentation von Architektur-Entwürfen, auch Diskussionen, Konzerte und eine „Kinder-Disco“ sollen diesen Pavillon, übrigens nicht zuletzt in der Tradition der Relational Ästhetik, beleben. Das Auflösen von Gattungs/Grenzen wird hier in zumeist kollektiver, lustvoller wie auch diskursiver Tätigkeit paradigmatisch vollzogen.

Auch die Wände des „HKW“, die den trennenden Gegensatz von Innen und Außen (noch) festigen, versucht „O Quilombismo“ immer wieder aufzuweichen, vor allem dadurch, dass viele der da gezeigten Arbeiten textiler, also vergleichsweise softer Natur sind. Ibrahim Mahama etwa hat die für ihn typischen Jutesäcke so am „HKW“ platziert, dass die Architekturikone „Schwangere Auster“, die 1957 im Kontext des „Kalten Krieges“ von den USA als Symbol für freiheitliche Kultur installiert wurde, jetzt nicht mehr elitäre eurozentristische Vorstellungen von Kultur und Politik verabsolutiert. Stattdessen bezeugen diese „Kaffeesäcke“ kritisch die Geschichte des kolonialen Imperialismus und des kapitalistischen Handels. Als zweite Haut gleichsam fungieren auch die textilen Murals des brasilianischen Künstlers Alberto Pitta, die ebenfalls an Außenwänden des Hauses hängen. Farbenfroh berichten sie in einem, wenn man so will, „naiv-surrealistischen Realismus“, der immer wieder von abstrakten Elementen gegengelesen wird, von der afro-diasporischen Kultur in Brasilien, von antikolonialen Gemeinschaften und ihren Gottheiten etwa. Auf zwei Säulen neben dem Haupteingang schließlich hat Georgina Maxim aus Zimbabwe Wandteppiche drapiert. Diese ausdrucksstarken Ummantelungen erzählen mit ihren vernähten, überwiegend roten Textilien von der jüngeren Geschichte ihres erst seit 1980 unabhängigen Heimatlandes. 

Im „HKW“ selbst wartet eine fulminante Ausstellung mit Arbeiten von gut 70 Künstlerinnen und Künstlern, die den eurozentristischen Kanon bewusst ignoriert und so mit ihren Videos, Textilarbeiten, Gemälden, Skulpturen und Installationen Ästhetiken zu Wort kommen lässt, die längst noch nicht gleichberechtigt in unserem Betriebssystem Kunst verhandelt werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Skulptur „Kilombo: Piwuchen“ des chilenischen Künstlers Bernardo Oyarzún: Eine mythologische, schlangenähnliche Gestaltwandler-Figur mit dem Kopf eines Hahnes liegt da als allegorische Gestalt auf dem Boden und steht mit dem Verweis auf afrikanische Ursprünge für den indigenen Kampf gegen postkoloniale Strömungen in der Globalisierung. Bemerkenswert auch, pars pro toto, die Malerei von Abdias Nascimento. In den im Exil von 1969 – 1981 in den USA entstandenen Arbeiten mixt der Brasilianer virtuos abstrakte Kompositionen mit emblematischen Darstellungen von afro-brasilianischen Gottheiten mit Aphorismen aus dem alten Ägypten oder Ideogrammen aus Westafrika. So versteht Nascimento seine Bilder eben nicht als universalistisch-modernistische Abstraktion, sondern als politisch engagierten „Akt der Liebe“.

Die überwältigende Präsentation im „HKW“ zeigt aber auch die Schwierigkeiten auf, dieses Haus umzufunktionieren in einen „konvivialen, kollektiv organisierten und pluriversalen“ Ort. Denn immer wieder ergibt diese Präsentation eine Ausstellung, die eurozentristischen Normen wie die der „egozentrischen“ Produktion und Rezeption von bildhaften Werken sowie der Organisation durch individuelle Kuratoren dann doch entspricht. Dem Team um Bonaventure Soh Bejeng Ndikung ist daher zu wünschen, dass es die mehr oder weniger rigiden Funktionszusammenhänge und Konventionen einer Institution wie dem „HKW“ in Zukunft noch konsequenter aufbrechen kann. 

Mehr Texte von Raimar Stange

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O Quilombismo
02.06 - 17.09.2023

Haus der Kulturen der Welt
10557 Berlin, John-Foster-Dulles-Allee 10
Tel: +49-30-397 87 0
Email: info@hkw.de
http://www.hkw.de/
Öffnungszeiten: Di-So 10.00 bis 21.00 Uhr


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