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Wie beim ersten Mal

Als wäre es zum ersten Mal: Nach Ausfällen und Maskenumzügen findet nach Jahren endlich wieder ein reguläres Gallery Weekend Berlin statt. Busweise werden nationale und internationale Sammler von Galerie zu Galerie gefahren, das Dinner im Hamburger Bahnhof ist hoffnungslos überbucht. Einen Zuspruch wie seit bestimmt einem Jahrzehnt nicht mehr nimmt Festivalleiterin Maike Cruse wahr.

"Kein anderes Gallery Weekend ist so erfolgreich wie das GWB", erzählt sie. "Das liegt auch daran, dass es hier keine große Messe gibt wie in allen anderen Städten. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal."
International aufgestellte Kunstmessen hätten in Berlin nie richtig funktioniert, weil das lokale Marktvolumen einfach nicht groß genug sei. "Berlin ist ein komplett anderes Feld," so Cruse, "weil hier die Künstler und Galerien sehr stark sind. Damit sind wir sehr attraktiv für Sammler."
Hingegen "bei einer internationalen Messe bindet man internationale Galerien ein, die hier keine breite Sammlerschaft vorfinden und deswegen nicht unbedingt an einer Messe hier teilnehmen müssen."

 Die 54 teilnehmenden Berliner Galerien legen sich gewaltig ins Zeug, um den einheimischen und angereisten Sammlerinnen und Sammlern etwas zu bieten. So viel Spannendes war tatsächlich schon lange nicht mehr zu sehen an der Spree. So breit und zeitgenössisch auch jenseits von Markttrends dürfte sich die Szene in den Hochpreismetropolen wohl kaum abbilden lassen.

Von Cao Feis auch in ihrer Dimension musealen Ausstellung "Duotopia", über Hiwa Ks "Like a Good, Good, Good Boy" bis zu einer von Başak Şenova kuratierten Gruppenausstellung mit zehn iranischen Künstlerinnen reicht das Spektrum gesellschaftlich engagierter in einer Fülle von Techniken.

Für die ganz großen Auftritte bietet sich nach wie vor das ehemalige Tagesspiegel-Areal in der Potsdamer Straße an. Max Hetzler richtet der frisch von Johann König zu ihm gewechselten Katharina Grosse eine fulminante Show aus. Hua International wurde 2020 in der jetzigen Form hier und in Peking gegründet, hat es aus dem Stand 2021 auf die Frieze sowie in diesem Jahr auf die Art Basel geschafft und ist in Berlin einer von vier Erstteilnehmern. Mit der von Gigiotto del Vecchio kuratierten Gruppenschau "My Eyes Like Shovels" und der ersten europäischen Solopräsentation des Multimediakünstlers Chen Dandizi leistet sich der Newcomer gleich zwei Ausstellungen

Richtig satte Malerei bieten Thomas Schulte mit den fast aquarellhaft wirkenden geometrisierenden Großformaten von Marina Adams oder die von reliefartigem Ölauftrag strotzenden nicht minder raumgreifenden Arbeiten von Jason Martin bei André Buchmann.

Auch jenseits der offiziellen Teilnehmer lassen sich Entdeckungen machen, etwa mit der erst 27-jährigen Salomé Chatriot bei Office Impart oder der Dokumentation der ein Vierteljahrundert alten und erschreckend aktuell wirkenden Performance "I bite America and America bites me" des gebürtigen Ukrainers Oleg Kulik, der sich zureit in Russland unter Hausarrest befindet bei Diehl.

Weiterhin haben sich 60 Kunsträume in der ganzen Stadt zum launigen "Sellerie Weekend" mit eigenem Internetauftritt zusammengetan.
 Geboten wird also viel, die Stimmung ist gut, und auch die internationale Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf Berlin. Zudem erlebt die Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung und das Entstehen neuen Wohlstands. Maike Cruse ist daher optimistisch für die Zukunft, denn arm aber sexy sei früher gewesen: "Das ändert sich seit einiger Zeit, die Kaufkraft erhöht sich auch lokal stark und deswegen gehe ich davon aus, dass es hier in fünf bis zehn Jahren auch die Möglichkeit gibt, wieder eine Messe zu machen." Das wär doch mal was.

--> gallery-weekend-berlin.de/

--> sellerie-weekend.de/

Mehr Texte von Stefan Kobel

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