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Maria Bartuszová: Der Atem des Universums

Ein Wassertropfen vor dem Aufklatschen, das Fließen eines Baches über Gestein und Holz, die Knetmasse als Spielzeug für Kinder und Erwachsene, sowie weibliche Arbeits- und Lebensformen - all dies fließt in die Skulpturen von Maria Bartuszová ein. Gemeinsam mit der Tate Modern widmet das Museum der Moderne Salzburg der tschechischen Künstlerin eine Retrospektive – hier erstmals im deutschsprachigen Raum. 76 Objekte der 1996 verstorbenen Bildhauerin sind in dieser Personale am Mönchsberg zu sehen.

1936 in Prag geboren, erlebte sie als Kind noch das nationalsozialistische Protektorat Böhmen und Mähren und begann in der kommunistischen Ära ihr Studium an der Hochschule für Angewandte Kunst und später an der Akademie für Kunst, Architektur und Design in Prag. Die Diktatur sowie die Ungleichheit der Geschlechter und ihre Mutterschaft prägten ihre Tätigkeit.

1963 übersiedelte sie gemeinsam mit Ihrem Mann, ebenfalls ein Bildhauer, und ihrer Tochter in die aufblühende slowakische Industriestadt Košice, wo sie in einem Atelierhaus wohnte und arbeitete. Dort entwickelte Bartuszová eine Art Alphabet einer Skulpturensprache wie sie in Mitteleuropa dieser Zeit ihresgleichen sucht.

Betritt man das Museum der Moderne so wird man von einer Installation empfangen, in der zwei Eisenbahnschwellen auf weißen runden eingedrückten Objekten liegen. Salopp könnte man sie als „Polster“ oder „Kissen“ bezeichnen, da ihre Form die Auflage der Balken nachzeichnet. Tatsächlich handelt es sich aber um Gipsobjekte die Bartuszová in Plastik goss, formte und deren Haut nach dem Aushärten abnahm.
Bartuszova unterscheidet in ihrer Karriere zwischen zwei Gipsverfahren. Zum einen ist es „Gravistimulation“, wobei sie auch kleinere Massen in Luftballons, Kondome oder anderes Plastik einfüllt, danach formt und knetet, so wie es auch Kinder tun. Irgendwann steht für die Künstlerin die endgültige Form fest und sie wird vom Plastik befreit. In den 1980iger Jahren entsteht ein anderes Abguss-Verfahren. Beim „Kompressionsdruck“ bläst Sie Plastikformen auf und trägt auf die Form Gips auf. Danach lässt Sie das Plastik platzen. Es entstehen aufgerissene, eierähnliche Formen, die aneinandergefügt schalenähnliche „Wandteppiche“ ergeben.

Die Kugel, die verformte Kugel, der Abdruck eines Weizenkeims, eierähnliche Formen, verschnürte Wucherungen immer in Weiß, Bronze oder Aluminium gehalten, bestimmen das Oeuvre von Bartuszová. Ihre sensualistischen Objekte laden zum Hingreifen, zum Aneinanderfügen ein, was in ihren Workshops für Sehbeeinträchtigte in der Schule von Levoča 1976 und 1983 tatsächlich möglich war. In einem kleinen Raum im Museum kann man diesen haptischen Erfahrungen nachspüren. Die von Bartuszovàs Ideen inspirierte Werkstatt steht sowohl Kindern, als auch Erwachsenen zur Verfügung. 

Mit ihren Werken agierte Bartuszovà durchaus in einer künstlerischen und intellektuellen Tradition. Sie kannte zweifelsohne die Werke des italienischen Künstlers Lucio Fontana, der 1966 auf der Biennale di Venezia eine große Präsentation hatte. Auch waren ihr Zeichnungen und Schriften von Henry Moore geläufig, sowie östliche Mystik und Philosophie. Auch psychoanalytische Schriften beherbergte ihre Bibliothek.

Bartuszovás einzigartige Formensprache entstand in der Stille eines diktatorisch regierten Staates, des hermetisch geschlossenen Ostblocks, die sie durchaus mit manchen Reisen durchlöcherte. Im einen oder anderen Fall waren staatliche Stellen aber Auftraggeber für Werke von Bartuszová (Kunst am Bau und die große Skulptur „Metamorphosis“ vor dem Krematorium, beide in Košice). In der Stille fernab des Kunstbetriebs von Prag gelang ihr die Modulierung ihrer Sprache, in die auch weiblich-feministische Züge ihres eigenen Erlebens einflossen.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Maria Bartuszová
21.07.2023 - 07.01.2024

Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg
5020 Salzburg, Mönchsberg 32
Tel: +43 / 662 / 84 22 20-403, Fax: +43 / 662 / 84 22 20-700
Email: info@mdmsalzburg.at
http://www.museumdermoderne.at
Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi 10-20 h


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