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Kritzel-Kitzel-Kabinett: Den Geist kitzeln

Wir mögen es wenn wir im Kino, gefesselt von der Handlung, alles Umgebende vergessen. Gleichzeitig befällt einen ein flaues, unangenehmes Gefühl in der Magengrube, wenn die Spannung und der Nervenkitzel zu groß werden.
Gekitzelt zu werden bereitet sowohl Lust als auch Qual der man sich zu entwinden sucht. Jedenfalls ist der Kitzel eine merkwürdige Zwischenstufe, in der sich Gefühle überlagern, die Wahrnehmung aufs Äußerste gespannt ist und wir gleichzeitig ein wenig die Kontrolle über unser bewusstes Denken verlieren.

Im Kritzelkitzelkabinett in der District4Art Galerie kann man diese Spannung nachfühlen, indem einen unweigerlich ein Schauer über den Rücken läuft, betrachtet man Elke Krystufeks 2022 entstandenes Porträt eines Mannes. Er schaut uns/einen direkt an, hinter ihm ein dunkles Liniengewirr. Erst der Schriftzug über seinem Kopf enthüllt seine Identität und führt uns zu dem wohl größten politischen Aufreger der vergangenen Jahre. „Freiheit für Julian Hessenthaler!“ schreit er den Betrachter:innen als Parole entgegen und öffnet damit ein ganzes Pandämonium an Gefühlen und Erinnerungen an das sogenannte „Ibiza Video“, dessen teilweise Veröffentlichung eine Schneise der Verwüstung in die politische Landschaft Österreichs schlug und den Mastermind hinter dem Skandal auch für einige Zeit ins Gefängnis brachte. Gleich daneben findet sich Elke Krystufeks zeitgemäße Version des bekannten Spruchs auf der Wiener Secession „Der Zeit ihre Kunst …“ als Schriftbild: „DER ZEIT IHRE UNBEQUEMEN KÜNSTLERINNEN, DEN UNBEQUEMEN IHRE FREIHEIT:“, darunter einige Namen wie z.B. Nura al-Kahtani, die im Jahr 2022 in Saudi-Arabien zu 45 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil sie angeblich mit ihren Tweets das „soziale Gefüge mit Hilfe des Internets zerreißen“ wollte, so die Urteilsbegründung. Der zarte Bleistiftstrich der Versalien schwächt dabei keineswegs die Dringlichkeit der Forderung der Künstlerin.

Viele verschriftlichte Forderungen hat auch Padhi Frieberger als früher Protagonist etwa der Öko-Bewegung und als Gegner der „bornierten Wiener Philister- und Kunstspießergesellschaft" in seinen Kunstwerken erhoben. Seine Textcollagen hat er gerne als damals noch rein analoge „Mail-Art“ an Freund:innen und Bekannte geschickt oder auch als „Wandtexte“ in Innen-und Außenräumen publiziert.

Ganz besonders schreibfreudig war Michael Vonbank, der immer wieder Gedankensplitter und Ideen auf die Wände seines Ateliers kritzelte, wo sie sich heute noch befinden. Manches davon hat auch den Weg in seine Malerei gefunden, vieles nicht.
Der künstlerischen Parole verpflichtet zeigt sich auch Anton Herzl, der seine Bild-Texte noch mit Pappmaché und Federn ausgestaltet.

Nicht immer springt uns die von Künstler:innen formulierte Aussage von ihren Werken direkt an, oder ist gar wie im Falle Vonbanks vor den Augen der meisten Menschen im Atelier verschlossen. Daher greift Kurator Vitus Weh zu einem gestalterischen Trick und ließ Fotos von Atelierwänden, oder wie im Falle Krystufeks gleich das gesamte Bild, auf raumhohe Vorhänge drucken, die die ausgestellten Werke wiederum zum Teil verdecken und zu einem Blick hinter diese Kulissen auffordern. Ganz im Sinne einer Zwischenwelt in die wir uns begeben, wenn unser Geist von künstlerischen Kritzeleien gekitzelt wird.

Mehr Texte von Werner Remm

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Kritzel-Kitzel-Kabinett
21.04 - 25.05.2023

District4Art
1040 Wien, Wiedner Gürtel 12
Tel: +43 660 55 888 05
Email: info@district4art.eu
http://www.district4art.eu/
Öffnungszeiten: Mo-Fr 14-18 h


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