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Sechs Bemerkungen zum Museumsquartier

1. Was aus dem ehemaligen Areal der Hofstallungen wurde, also das Museumsquartier, konnte so nur in Österreich bewerkstelligt werden. Einen heruntergekommenen Bereich in bester innerstädtischer Lage aufzuwerten, indem man ihn völlig dem widmet, was man unter Kultur versteht, kann nur in einem Land passieren, in dem man Stammtische dadurch mobilisiert, daß man auf Jelinek oder Peymann schimpft. 2. Das Museumsquartier ist ein großes Gentrifications-Projekt, durchaus vergleichbar den Londoner Docklands oder dem Berliner Potsdamer Platz ? allerdings ohne Berücksichtigung des Ökonomischen. Die Politik muß schon ein sehr patriarchalisches Selbstverständnis besitzen, um die Instanzen geringzuachten, die heute in Atrien, Passagen und multifunktionalen Zentren Attraktionen schaffen. 3. Diese völlige Ignoranz gegenüber allem Wirtschaften wird zwar nicht dem Museumsquartier, aber den in ihm befindlichhen Museen zu schaffen machen. Man wird das Museumsquartier zwar als touristischen Selbstläufer besuchen, es aber genauso schnell wieder verlassen, weil es an ökonomischer Infrastruktur fehlt. Ausstellungshäuser schaffen hier keine Abhilfe. 4. Die neue Architektur des Museumsquartiers scheint diese völlige Fehlkalkulation bereits berücksichtigt zu haben. Die Museumsbauten mit ihrer Blockhaftigkeit, ihren viel zu klein und dezentralisiert angelegten Eingängen und ihrem harschen Beharren auf Distanz tun von vornherein so, als wollten sie die Kunst abschotten und mithin überhaupt keine Besuchermassen empfangen. Wenn die Besucher dann in der Tat ausbleiben, können zumindest die Architekten sagen, sie hätten nichts anderes gewollt. 5. Die einzigen Läden, die innerhalb des Areals zugelassen wurden, sind ausgerechnet vier Buchhandlungen. Es wird kein Jahr dauern, bis sich dieser Zustand grundlegend geändert hat, als Ausdifferenzierung in Buch-, Designer-, Krimskrams-Laden ? oder als Pleiten. 6. Das Museumsquartier funktioniert wie der urbanistische Präzedenzfall, das um 1780 erbaute Pariser Palais Royal. Man wird es, wie in Paris, schätzen als einigermaßen noble Flaniermeile. Man wird, wie in Paris, hindurchlaufen und feststellen, daß am anderen Ende nichts ist. Man wird ihm bald, wie in Paris, die Boulevards vorziehen. Und vorher wird man, wie in Paris, schnell einen Kaffee trinken.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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