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Sensory Tales - Curated by Rita Kálmán & Lívia Páldi: Die schillernden Tiefen des Bewusstseins.

Im Rahmen des diesjährigen curated by Festivals gestalten die beiden Kuratorinnen Rita Kálmán und Livia Páldi unter dem Titel „Sensory Tales“ eine Schau mit ungarischen, kolumbianischen, indischen, slowakischen und serbischen Künstlerinnen bei Krinzinger Schottenfeld. Die Themenstellung der Herkunft, der sexuellen Identität, der Wandlung derselben, der Auseinandersetzung mit Prozessen im eigenen Körper – etwa bei Dominika Trapp – sind Hauptthemen in dieser Ausstellung.

Dabei stellt sich die Frage, ob die sexuelle Wahrnehmung von Künstler:innen, ihre ethnische Zugehörigkeit sowie die jeweilige geschlechtliche Orientierung eine Voraussetzung für das Verständnis ihrer Kunst sein müsste. Lauscht man den Worten von Aliza Orlan, so ist es dies tatsächlich. Orlan fertigte zarte Bleistiftzeichnungen auf Papier, die floralen Elementen ähneln und die organische Prozesse imaginieren. Dazu meint Sie: „Die ausgestellten Zeichnungsserien sind alle in der Zeit entstanden, als ich mich langsam zu Aliz/Aliza entwickelte und veränderte. Es ist eine Geschichte über Wachstum und die Metamorphose vom Ei zum Wurm, von der Blume zum fliegenden Insekt. Es ist ein Abschnitt meines Lebens, in dem Blau und Rot Symbole für mein fließendes Geschlechtsleben sind. Ich strebe danach meine eigene Identität zu definieren, während ich die Grenzen zwischen Mensch und Natur verwische.“

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der ungarische Künstler Gideon Horváth, der teilweise mit Bienenwachs überzogene Objekte formt, aus deren Oberfläche Samen, Getiere und Gebein hervorkriechen. Im Englischen nennt er diese Arbeiten „Emergence Series“, was das Hervorquellen versteckter Materialien sehr gut benennt. Nichts ist wie es scheint. Die Oberfläche bricht aufgrund des wurlenden Untergrunds auf. Horvath und die Kuratorinnen bezeichnen Bienenwachs als „fluides, queeres“ Material, was sowohl seine Formbarkeit als auch seinen Symbolgehalt beschreibt.

Die dritte Position, die sich mit somatischen Befindlichkeiten und der Frage auf die Auswirkungen auf die Persönlichkeit beschäftigt, ist jene der ungarischen Künstlerin Dominika Trapp, die in Tintenzeichnungen Wülste, ja körperähnliche Schlingen und Gedärm zeigt. Sie übertitelt Sie mit „Escaping Water“. Die meisten Werke sind 2022 entstanden. Sie knüpfen an Verdauungsprozesse an, die für die Künstlerin eine künstlerische Themenstellung sind.

Seit 1968 wissen wir, dass das Private politisch ist. Man kann es aber auch übertreiben, wenn Herkunft, ethnische Zugehörigkeit, religiöses Bekenntnis und sexuelle Identität als Gesinnungsterror zur Diskriminierung einer Existenz und Persönlichkeit herangezogen werden. Eine solche Hetze kann man derzeit sehr eindringlich in dem von Robert Ickes adaptierten Schnitzler´schen Theaterstück „Die Ärztin“ am Burgtheater sehen. Ickes bearbeitete „Professor Bernhardi“ von Arthur Schnitzler sehr frei. Er lässt eine weiße jüdische Ärztin auftreten, die einen schwarzen katholischen Priester aus medizinischen Gründen nicht zu einer Sterbenden vorlässt. Der drauf einsetzende antisemitische „Shitstorm“ ist beispielgebend. Die Regie weitete die Themenstellung um die Frage aus, ob nur jüdische Ärzte jüdische Patienten behandeln dürfen, nur schwarze Ärzte schwarze Patienten etc. Ob überhaupt nur Behandler mit spezifischen Eigenschaften den passenden jeweiligen Patienten betreuen dürfen und dafür prädisponiert sein müssen. Damit ist man endgültig im Rassismus angekommen.

Die Parallelen zu der gezeigten Ausstellung in der Galerie Krinzinger am Schottenfeld sind leicht zu ziehen. Müssen wir als Rezipient:innen über die sexuelle Orientierung einer Künstlerin oder eines Künstlers Bescheid wissen? Oder genügt es nicht, dass das Werk uns berührt? Oder müssen wir es in unsere Betrachtung einbeziehen, wenn es ein explizites Thema des Werks ist? Das sind spannende Fragen im 21. Jahrhundert. Damit sind die Tage der herrschenden weißen, heterosexuellen Welt endgültig gezählt.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Sensory Tales - Curated by Rita Kálmán & Lívia Páldi
09.09 - 22.10.2022

Krinzinger Schottenfeld
1070 Wien, Schottenfeldgasse 45
Tel: +43 (1) 512 81 42
Email: krinzingerprojekte@gmx.at
http://www.galerie-krinzinger.at/projekte
Öffnungszeiten: Mi-Fr: 15-17h
Sa: 11-14h


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