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Der morbide Charme von Energydrinks

Der Schriftzug „INSTANT SOLUTIONS“ unter dem stilisierten Sonnenuntergang an den großen Schaufenstern lässt eher an ein Reisebüro, vielleicht an eine Immobilienvermittlung denken – nichts allzu Bemerkenswertes, angesichts der regen Bautätigkeit die sich im „Manhattan der Alpen“ Bad Gastein aktuell entfaltet. Das freundliche Pink, in dem die beiden Verkaufsräume ausgemalt ist, lässt nichts Böses vermuten. Leises Plätschern aus einem ebenfalls pinken Zimmerbrunnen empfängt die Eintretenden, die abstrakten Bilder an den Wänden unterstützen den einladenden Gesamteindruck. Stutzig wird man dann spätestens im zweiten Raum vor einer großen pinken Kiste, aus der an einer Schmalseite ein Haarzopf hängt... Um Immobilien geht es in Xenia Lesniewskis Gesamtinstallation im „Ike Room“ auf der Kaiser-Wilhelm-Promenade nur im Sinn der „letzten Dinge“, denn die junge, in Wien lebende Künstlerin, hat sich den Tod und seinen Umgang damit in unserer Hochleistungsgesellschaft zum Thema gemacht. Als Annäherung an das Unvermeidliche bietet „Instant Solutions“ die elegante Einbindung des letzten Aufenthalts in den Lebensraum, denn die duchaus schicke Kiste entpuppt sich als (natürlich ökologisch vollständig abbaubarer) Sarg, der Zimmerbrunnen findet als Urne seine letztgültige Verwendung, sollte man sich denn für die Kremation seiner Überreste entscheiden. Dabei unterstützend soll der Energydrink „Heaven Up“ wirken, der zuerst dabei hilft, den stressigen Alltag zu bewältigen, letztendlich aber den endgültigen Abgang via erhöhter Herzfrequenz beschleunigt und schließlich den Energieverbrauch zur Aschewerdung zu minimieren soll. Für die Hinterbliebenen bietet Lesniewski die netten „Erinnerungsbilder“, deren Farben mit ein wenig der Asche der verstorbenen vermengt werden. Schwarzen Humor und zeitgemäße Kritik bringt Lesniewski in ihrer Inszenierung die noch bedrückender wirkt wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Öko-Thriller „Soylent Green“ aus dem Jahr 1973 im Jahr 2022 spielt...

Mobidität, das langsam verschwindende „Markenzeichen“ Bad Gasteins findet sich auch am Ende der Kunst-Promenade, im Hotel Astoria, das wie im Dornröschenschlaf noch auf seine geplante Revitalisierung wartet. Fast schon zu perfekt fügen sich die teils großformatigen Zeichnungen der in Berlin und Weimar lebenden Ulrike Theusner in die noch immer komplett ausgestatteten Zimmer. Ist es eine Prinzessin, die da ihrem Prinzen entgegen reitet, wie es die sich küssenden Putti am Linken Rand insinuieren, oder doch die Prozession in einen fröhlichen Untergang, an dessen Ende rechts ein brennender Höllenhund den alles verschlingenden Abgrund in Orcus’ Reich eröffnet? Allerhand Gnome, Harlekine und eine Musikkapelle begleiten einen Marsch ins Ungewisse, Umkehr scheint unmöglich.

Gut dass uns die in New York lebende Fotografin Barbara Probst im Ausstellungspavillon wieder ins Heute zurückholt. Doch auch ihre Realität wirkt zerplittert. Der Augenblick, den sie mit zwölf Kameras auf den Straßen und einem von ihr kreierten Setting in einer New Yorker Wohnung zeitgleich ablichtet, zeigt eine Gegenwart die zwar existiert, aber für uns nicht wahrnehmbar ist. Die Zufälligkeit eines um die Ecke biegenden Taxis scheint in keiner Verbindung mit dem sorgsam arrangierten Stillleben auf dem Couchtisch zu stehen und doch sind beide Teil eines Hier und Jetzt, aus dem sich trotz unterschiedlichster Blickwinkel ein gesellschaftlicher Konsens entwickeln muss. Probst stellt in ihren Arbeiten die immer bedeutender werdende Frage, wie wir unser Zusammenleben trotz einer immer stärker werdenden Individualisierung und Isolierung des Subjekts noch gestalten können.

Erstmals wird in diesem Jahr auch das auf 1.500 Metern Seehöhe liegende Sportgastein mit zwei Skulpturen im öffentlichen Raum in die Sommer Frische Kunst einbezogen. Kazunori Kura lässt aus dem Almboden Schiffsskelette emporwachsen, die wie Mahnmale auch vielschichtige Assoziationen freisetzen und Olaf Holzapfel, dessen Holzskulptur wie ein Fachwerkbau auf der Moaralm aufragt, will damit die Verbindung von Natur und traditionellem Handwerk sichtbar machen.

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Ausstellungen auf der Kaiser-Wilhelm-Promenade noch bis 4. September

artbadgastein.com

Mehr Texte von Werner Remm

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