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Art Düsseldorf: Freundlich, engagiert

„Für uns ist die erste Teilnahme bereits jetzt ein Gewinn“ bekannte die Mitarbeiterin einer großen deutschen Galerie aus dem Rheinland bereits drei Stunden nach der Eröffnung. Auch eine Berliner Galerie zeigte sich zufrieden über ihre Premiere am Rhein. „Wir haben bereits unsere Kosten erwirtschaftet und sind optimistisch über den weiteren Verlauf. Aber wir erwarten mehr Besucher“, so ein Mitarbeiter. Günstige Standkosten, teils aus Corona-Mitteln des Bundes subventioniert, dürften bei diesen Erfolgsmeldungen der 4. Art Düsseldorf, nach 2019 und vielen Corona-bedingten Verschiebungen, sicher geholfen haben. Aber es gibt wohl auch Käufer und das ist, was zählt.

In den spektakulären, ehemaligen und gut von oben beleuchteten Industriehallen aus der Spätphase des Kaiserreichs versammelten sich zur Premiere zwar mehrheitlich Gäste aus dem Rheinland, aber mit einem digitalen Angebot will Direktor Walter Gehlen auch international punkten. So bietet ein Online-Shop gegenwärtig circa 800 Objekte an, von 85 € mit Drucken von Joëlle Dubois bei Thomas Rehbein aus Köln, bis 280.000 € für ein Ölgemälde von Günther Förg bei Jahn und Jahn aus München. Zudem ermöglicht ein über 40 Personen großes Team – im Selbstversuch durchaus unkompliziert, kenntnisreich und freundlich – individuelle virtuelle Führungen über die Messe an, via Zoom, sogar mit Option zum Kontakt mit den Galeristen. Darüber hinaus wird eine Präsenz auf dem Online-Marktplatz Artsy platziert (hier sind aktuell 1.123 Werke eingestellt).

Circa 84 Galerien, darunter 28 Neuzugänge und zehn Gemeinschaftsstände, setzen den Schwerpunkt auf zeitgenössische Werke, von etablierten Künstlerinnen und Künstlern, wie Karin Kneffel und Tony Cragg, bis hin zu sicheren Vertretern der Mid-Career-Positionen. Nur selten zeigen sich Schwächen im Programm, aber auch nur selten werden Experimente gewagt. Knapp ein Viertel der Händler ist aus dem Ausland angereist, angeführt von Österreich mit neun Vertretern, u. a. mit der Galerie Krinzinger und der Galerie Ernst Hilger, neu dabei Thomann, Layr und Shore. Klar ist das Bekenntnis der 14 beteiligten Düsseldorfer Galerien, jetzt auch mit Konrad Fischer und immerhin 12 kommen aus Köln und Bonn. Wenigstens 18 Galerien fanden den Weg aus Berlin auf das in Meerbusch-Büderich gelegene Messegelände, unmittelbar an der Stadtgrenze zu Düsseldorf. Darunter KOW, Buchmann und Johann König.

So zeigt Johann König, an seinem vergleichsweise kleinem Stand, einen Querschnitt durch sein Programm, darunter mit einem Augenzwinkern das Gemälde „All My Favourite Painters Couldn’t paint“ (2021) von Friedrich Kunath für 42.000 US $, zuzüglich Steuern. Er brachte auch die große, museale Installation „Water Play for Terrace“ von Dan Graham auf die Messe mit. Ähnlich beeindruckend ist die benachbarte „Große Kurve 2“ (1980) von Norbert Kricke bei Aurel Scheibler, mit einer Länge von über 8 Metern und vollkommener Eleganz in minimalistischer Reduktion für 650.000 € (Endpreis). Guido W. Baudach zeigt ein von Thomas Zipp konzipiertes Environment mit dem Titel „Drawing-Room Chapel (Huise Clos)“, basierend auf Jean-Paul Satres Einakter „Geschlossene Gesellschaft“, der en passant, an die statische Beklommenheit mancher Tage im Corona-Lockdown erinnern mag, die in Teilen bis zu 60.000 € (Endpreis) erworben werden kann. Könnte die Hölle der Alltag im kleinen Kreis sein?

Die Bilder des gegenwärtigen Krieges in den Medien mögen dann auch erklären, warum der Autor auch mit einer weiteren Arbeit, diesmal von Gregor Schneider, ein Werk benennt, das auch Christiane Fricke für das Düsseldorfer Handelsblatt zur Besprechung ausgewählt hat. Die beiden ikonoklastischen Wandtafeln mit verbrannten Gemälden, „End oft he Museum“ Teile 2 und 3 (2019) für je 28.000 € ohne Steuern, stehen wie stellvertretend für zerstörte Kunst in der heutigen Ukraine, beispielsweise den Fantasie-vollen Bildern Marija Prymatschenkos, die vermutlich in Iwankiw am 27.2.2022 vernichtet wurden. Ein Galerist aus Köln gab dieser mehr als nur stimmungsdämpfenden Betrübnis der Ereignisse unserer Gegenwart im Gespräch Ausdruck.

Die Kölner Art Cologne war, hier und da, der berühmte „Elefant im Raum“, den der russische Dichter Iwan Andrejewitsch Krylow 1814 als Bild in die Sprache brachte. Die Wettbewerbssituation kann nicht geleugnet werden, auch wenn das Profil beider Messen in der Summe nicht austauschbar ist – Klassische Moderne und Nachkriegskunst spielen in Düsseldorf keine Rolle. Daniel Hug und Walter Gehlen können als Menschen kaum miteinander verwechselt werden, ebenso wenig wie jeweilige Atmosphäre oder die Beteiligung einer großen ‚Maschine‘, wie der KölnMesse, mit all ihren Vorteilen und Unzulänglichkeiten. Jedenfalls gibt es auf der Art Düsseldorf (noch?) nicht jenes Stop and Go der Begegnungen am Premierentag, wie rheinaufwärts, aus Sicht des Autors betrachtet. Auf Köln lastet, auf Grund der langen Tradition, ein wenig mehr die Idee der Internationalität, das Erbe glorreicher Tage, die im Zeichen einer dramatischen, aber vernünftigen, De-Globalisierung noch mehr ins Trudeln geraten könnte.

Regionalität ist seit Jahren nicht nur ein Schlagwort im Marketing des Einzelhandels, das allerdings auch keine 14 € das Kilo rheinische Tomaten im April rechtfertigt (gesehen bei Rewe am 7.4.22). Ein Tagesticket für 26 € (ermäßigt 19 €), nur online zu erwerben, exkludiert Geringverdiener und löst sicher keinen Besucheransturm aus. Internationalität wird auch nicht durch englischsprachige Text, selbst auf dem deutschsprachigen Teil der Webseite, erreicht. Außerdem sollte der Impfschutz der Gäste gegen den Corona-Virus berührungsfrei und Datenschutzkonform geprüft werden und die Luft, bei sinnvoller Maskenpflicht, nicht derart erwärmt sein, selbst wenn draußen kaltnasses Frühlingswetter in abwechselnder Folge von Regen, Sonnenschein und Sturmböen tobt, dass Atemnot droht. Kleinkram, vielleicht. Aber lohnt sich die Messe? Das Niveau stimmt, die Stimmung ist entspannt, die Galeristen freundlich, engagiert: Aber Ja!

Es bereitet Vergnügen, die umfangreichen Editionen von Thomas Schütte bei Carolina Nitsch (New York City) zu besichtigen. Christian Lethert (Köln) zeigt Konsequenz mit Lutz Fritsch in der konstruktiv-geometrischen Programmatik. Jacky Strenz (Frankfurt am Main) verzaubert mit Lin May Saeed. Buchmann (Berrlin) überzeugt mit Bettina Pousttchi. Leo Koenig führt die Besucher in Andreas Slominskis Fallen. Parisa Kind (Frankfurt am Main) lockt in zauberhaften Ansichten der Natur Talisa Lalleis. Bernhard Brungs berichtet in seinen Gemälden über die Verführungskraft der Beat-Poeten in der Produzenten Galerie Hamburg. Gisela Clement (Bonn) erinnert an die Kraftgewalt Ulrike Rosenbachs x Elvis x Warhol. COSAR (Düsseldorf) entfaltet die Möglichkeiten der Keramik von Vera Kox. Beck und Eggeling (Düsseldorf) beschwört die spätmoderne Architektur mit Stefan Kürten. Die Gebrüder Lehmann (Dresden) erinnern an die liebevollen Eigentümlichkeiten Eberhard Havekost. „Da bin ich“ berichten die postumen Fotografien von Diane Arbus bei Thomas Zander (Köln), versus fragilem, labilem Dahinschwinden bei Sandra del Pilar bei Zilberman (Istanbul/Berlin). Ließe sich fortsetzen.

Mehr Texte von Thomas W. Kuhn

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Art Düsseldorf
08 - 10.04.2022

Areal Böhler
40549 Düsseldorf, Areal Böhler
https://www.art-dus.de
Öffnungszeiten: Fr 12-19, Sa, So 11-19 h


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