Amelie von Wulffen: Tor zur Seele
Es gibt einen Moment in Amelie von Wulffens Ausstellung, da erwartet man sich wirklich Augenkontakt, doch wird er demonstrativ vermieden. „Selbst im Silbertablett“ (2021) zeigt die Künstlerin (geboren 1966 in Breitenbrunn, Deutschland) als Spiegelung, gerahmt vom barock geschwungenen Rand der Silberplatte, man sieht die (eigene) Hand, die diese hält, den Unterarm und Oberschenkel, Jeans, eine Tür im Hintergrund, geschlossen. Nur, das Spiegelbild verschließt die Augen vor sich selbst. Hier stimmt was nicht, wie ist das möglich, fragt man sich? Es bleibt das Augenzwinkern aus, das diesen Kniff als kleinen Witz entlarvt, die Sache ist ernst.
Zwei durchgängige Stränge lassen sich an dem Bild ablesen: erstens die sehr persönliche Note, die in den Arbeiten präsent ist – in Form von Motiven wie dem immer wieder aufgegriffenen Selbstportrait und jenem der Familie, das über ein generationsübergreifendes Gruppenbild, über Kindheitserinnerungen wie der Biene Maja, und über Reflektionen des Mutter- und Tochter-Seins Einzug hält. Diese Aufnahmen eines psychologischen Innenlebens, die in den Objekten und Leinwänden nach außen getragen sind, werden zweitens durch einen einerseits kindlichen (und damit eine Brücke schlagenden), andererseits abstrakten Darstellungsmodus auf eine allgemeinere Ebene gehoben: dem des Symbolismus, bzw. zweier seiner Spielarten, der Fabel und Parabel. Erfundene Wesen, (anthropomorphe) Tiere und animistisch angehauchte Objekte wie zu Tierfiguren arrangierte Muscheln und Wurzeln, aber auch die zahlreichen Augenpaare, Türen und Fenster, auf die man in den Arbeiten trifft, tragen zu einer traumartig bedeutungsschwangeren Atmosphäre bei, die den Boden bereiten für Zugriffsmöglichkeiten auf diese individuellen Bilderwelten.
Bei aller Ernsthaftigkeit, die die Größe der Themen mit sich bringt, und der die investierte Arbeit am Bild – die immer sichtbar ist und den Werken Plastizität und Authentizität verleiht – gerecht wird: es sind immer wieder Momente eingebaut, die Ausflucht bieten und den Blick, anders als das Spiegelbild, aber genau wie das Bild des Spiegelbilds aus einer Superposition heraus auf sich selbst (und das Medium) werfen: Spuren eines Mauselochs zwischen den Beinen der Familie; die Inversion der weiten Räume eines Seeblicks, auf die Seitenwände von Holzboxen projiziert; oder Bilder, die, einmal über ihren Rand getreten, ins Groteske kippen, dabei farbgewaltig-monumental.
08.04 - 21.05.2022
Galerie Meyer Kainer
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