Werbung
,

Die Verschwörung der Beschämer

Wenn man wie unsereiner viel schreibt, dann schaut man bei einem neuen Buch gerne einmal zuerst auf die Literaturliste. Könnte ja sein, dass man vorkommt. Diesmal bin ich froh, dass ich nicht vorkomme, denn Christian Demands "Die Beschwörung der Philister" ist zuallererst eine Stilblütenlese. Vielerlei aus jenem Jargon der Eitel- und Eigentlichkeiten wird dabei gepflückt, in dem über Kunst geraunt wird. Dieses Vielerlei ist auch ein einerlei, weiß Demand, denn es läuft stets auf den gleichen Zweck hinaus: den Lesern einen Schrecken einzujagen und sie in die Fasson bedingungsloser Begeisterung zu bringen, indem man ihnen mit der Keule des Philister-, Ignoranz- oder Faschismusvorwurfs kommt. Dass viel Zeug dahergeschrieben wird, braucht keine große Betonung, und dass der Autor davon "im Lauf der Jahre zahlreiche auf Halde gestellt hat" und er "gerne bereit" ist, "auf Anfrage einige davon abzugeben", ist in seiner Gönnerhaftigkeit völlig unnötig. Demand geht aber so weit, im Ganzen rekonstruieren zu wollen, "wie" so der Untertitel, "die Kunst sich der Kritik entledigte". So, als gäbe es nur Blödsinn, und dieser Blödsinn habe die eine und einzige Methode, das Publikum mit Schamgefühlen zu überziehen. Durch diesen seltsamen verschwörungstheoretischen Ballast gerät in Schräglage, was Demand alles an völlig Richtigem sagt. Indem er die Helden der klassischen Moderne, Marinetti, Kandinsky, Baumeister, beim Wort nimmt, werden die Spatzen sichtbar, die hier ihre Kanonen auffahren. Besonders gelungen der Abschnitt über Ad Reinhardt, in dem Demand mit ausnahmsweise unverhohlener Sympathie die Ausweglosigkeit von dessen puristischen Radikalkuren auslotet. Demand, im Moment Gastprofessor an der Wiener Angewandten, arbeitet an der überfälligen Demontage der klassischen Moderne, und man kann ihm nur viel Erfolg dabei wünschen. Dass er irgendwie doch an ihren Hervorbringungen festhält und die stille Hoffnung nicht fahrengelassen hat, dass etwa das "Schwarze Quadrat" eine Art Essenz darstellt und nicht einfach nur ein schwarzes Quadrat, markiert einen Rest an Naivität. Den wiederum braucht er, um an Verschwörung zu glauben. Christian Demand "Die Beschämung der Philister" Wie die Kunst sich der Kritik entledigte zu Klampen Verlag, Springe 2003 ISBN 3934920322 Kartoniert 333 Seiten, 24,00 EUR (D)
Mehr Texte von Rainer Metzger

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: