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Transmediale 2022: abandon all hope ye who enter here: Daten a la Dante

Die diesjährige Transmediale überrascht zunächst mit ihrem Titel “Abandon All Hope Ye Who Enter here“, der so lakonisch wie dramatisch Dantes „Gebt alle Hoffnung auf, die ihr hier eintretet“ zitiert. Ausgerechnet das Festival für mediale Kunst also, dass seit 1988 die Beziehungen von Kunst und digitaler Technik auslotet und dabei zunächst recht euphorisch in die Zukunft geblickt hatte, stimmt jetzt überaus pessimistische und desillusionierte Töne an. Dazu sind die Ausstellungsräume der alten Akademie der Künste in Berlin in ein monochromes, mal gelbes, mal orangenes, mal rotes Licht getaucht, ganz so als befände man sich in einer imaginierten Hölle Dantes. In diesem „Inferno“ dann warten 9 künstlerische Arbeiten, die sich mit Themen wie „Ausbeutung, Finanzfantasien und technologischer Solutionismus“ (Ausstellungsbroschüre) auseinandersetzen. Statt Weltverbesserung durch Big Data ist in “Abandon All Hope Ye Who Enter here“ also die Rede von „technologischen Höllenszenarien“ wie etwa „patriachal-koloniale Technoscience, Turbokapitalismus und totalitäre Informatik“(ebenda). Auch wenn man Schlagwörter wie diese im Moment beinahe in Endlosschlaufe um die Ohren gehauen bekommt und man sie zuweilen vielleicht schon nicht mehr Hören kann – sie benennen dennoch zentrale Problemlage „unserer“ postmodernen Welt. Genau dieses macht das „Eintreten“ in diese Ausstellung so wichtig.

Im Zentrum von “Abandon All Hope Ye Who Enter here“ steht die Skulptur „Entanglement“, 2021, der Künstlergruppe Annex. Ein turmartiges Monstrum aus Stahlgerüsten, Ventilatoren, Monitoren, Servern und Kabeln steht da im abgedunkelten Raum. Zudem sind rechteckige Bänke aufgestellt um einen konzentrierten Blick auf dieses „Daten-Lagerfeuer“ zu erlauben, das Texte und Klänge rezipierbar macht, die generiert sind mit Hilfe von künstlicher Intelligenz. Datenkonsum und seine Ausbeutbarkeit steht hier ebenso zur Disposition wie eben die Erderwärmung, die u. a. durch die Energie verbrauchende Arbeit unzähliger Rechenzentren entsteht. Wir wissen es längst: Jedes „Like“ im Netz, jede Mail und jede Abfrage bei einer Suchmaschine erhitzt unseren Planet. Live-Wärmebilder zeigen in „Entanglement“ diesen ökologischen Fußabdruck unserer alltäglichen Nutzung der digitalen Technik kritisch an.

Ebenso verstörend kommt die im gelblich lodernden Licht getauchte Installation „Dawn Chorus: Beta“, 2021, von Stine Dejas daher. 10 Kinderwagen stehen bei diesem medialen Chor im Kreis, statt Babys aber liegen hier Monitore in den Buggies. Auf diesen Monitoren sind „neugeborene“ Avatare zu sehen, die in in Gesängen ihre „Wiedergeburt“ feiern. Diese Hybride von Mensch und Maschine freuen sich hier also kindisch-technoid auf ein Weiterleben nach dem biologischen Tod ihres Körpers, der zuvor Zelle für Zelle kyronisch eingefroren wurde. Mit diesem so niedlichen wie gleichzeitig gespenstischem Setting führt „Dawn Chorus: Beta“ die menschlichen Sehnsüchte ad absurdum, die lange schon als Heilsversprechen von Technik gepflegt werden, nämlich die nach Unsterblichkeit. Schon Don deLillo übrigens bedenkt ja in seinem Roman „Null K“, 2000, die problematische Faszination dieser Utopie.

Auch wenn nicht jede der 9 Arbeiten in “Abandon All Hope Ye Who Enter here“ überzeugen kann, lohnt sich der Besuch der Ausstellung dennoch. Denn ihr gelingt es, den naiven, aber marktgerechten Glauben an die Unschuld oder gar an den emanzipativen Charakter der digitalen Technik nachhaltig zu zerstören.

Festivalwebsite: --> transmediale.de/

Mehr Texte von Raimar Stange

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Transmediale 2022: abandon all hope ye who enter here
26.01 - 18.02.2022

Akademie der Künste Hanseatenweg
10557 Berlin-Tiergarten, Hanseatenweg 10
Tel: +49 0 30 200 57 20 00, Fax: +49 0 30 57 21 75
http://www.adk.de


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