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Anthony Olubunmi Akinbola - Multilateral: Pretty Smelly Kunstgenuss

Der zeitgenössische „Black Art“- Boom ist in Wien definitiv angekommen. Wien ist zwar nicht Paris und nicht einmal Zürich, scheint aber vor allem auf ghanaische oder Künstler:innen mit ebenjenen Wurzeln starke Anziehungskraft auszuüben. Der bekannteste und hochpreisigste von ihnen, der Maler Amoako Boafo, der die Kultur und Kunst der alten Donau-Metropole siegreich aktualisierte und damit auf globalen Hochstand mitriss, ging nach getaner Arbeit von Wien weg. Stattdessen hier jüngst angekommen und angesagt ist derzeit der multidisziplinär arbeitende Anthony Olubunmi Akinbola, ein junger New Yorker, der unlängst an dem Artist-in-Residence-Programm der Galerie Krinzinger teilnahm und in ihrem Showroom aktuell seine erste Einzelausstellung in Wien feiert. 

Als „erfrischend“ begutachteten die zahlreichen Besucherinnen seine Kunst-Produktion zur Eröffnung der Ausstellung, die Akinbola mit einem der internationalen Diplomatie entlehntem Begriff – reflexiv und passend zu der City mit dem Sitz von Opec und Vereinten Nationen - den Zentralen des old school Kapitalismus - Multilateral nennt. Schließlich ist Österreich politisch auch (noch) neutral. Erfrischend auch sogar dann, wenn einer/einem beim Betreten seiner Show etliche stinkende Stockfische an einer Stange hängend schwerelos entgegenkommen. Die, die Mund-Nasen-Schutz richtig tragen, erfahren vom üblichen, natürlichen Smell rundherum leider nur wenig.

An der künstlerischen Ausstattung des Krinzinger Showroom wird in der Tat kaum gespart. Akinbolas kunstvollen, vielgestaltigen und etwas theatralisch drapierten und wie (vom Geist der die körperlichen Fitness fördernden Hiphop-Subkultur beseelt)  feucht-malerisch wirkenden, teilweise mächtigen Textilgemälde beschwören den Eindruck unzähliger, sich versammelnder (sexualisierter) Körper oder vielmehr ihrer begehrten Fetische. Die Bilder sind aus zahlreichen Durags (Kopftücher afrikanischer Herkunft) gestaltet und stammen aus der Werkserie Camouflage. Und nicht nur diese perfekten aus ready-made Objekten angefertigten Kunstwerke samt einer fotografierten Plastikeinkaufstasche, die selbst ephemer zum Konsum exotischer Welten verführt, erwecken nicht zuletzt Erinnerungen an Joseph Beuys‘ Wiener Aktionen und die verwandten, bereits kanonischen Formlösungen anderer bekannter Künstler*innen. Es werden ebenso übergreifende Querverbindungen zu den goldenen 90er-Jahren wachgehalten, wo es in den Kunsttempeln nach süßem Schokoladeduft (Dieter Roth) oder künstlichem Parfum (Katharina Frisch) geheimnisvoll magisch roch. Zum Abschied serviert uns der Afroamerikaner noch eine seiner sanften Provokationen, die lange Tradition vorweisen und die seine Obsession zu identitätsstiftender Abstraktion und der Regeneration ihrer Aura auf neue verhandeln. Es sind die heutigen, gewinnbringenden Overkiller des globalen Konsums pur: Das auf einem weißen Sockel ruhende Paar Sneakers – im gelblichen Look, weil mit dem afrikanischen Lebensmittel Cassava (Maniok) einheitlich monochrom bedeckt und eingefärbt. Parallel zu diesem diskursiv-motivischen Artefakt - von van Goghs (abgetragenen Schuhen) bis zu Brian Jungens „Prototype for New Understanding“ Nike-Masken und vielen anderen Sneakers danach - welcher der modernen Kulturproduktion als Werkzeug und Material dient und bei Akinbola auch als archäologisches Objekt trouvé gesehen werden kann, ruft der Künstler die Praxen des (Post)Kolonialismus, Migration, Black Lives Matter und Blackness umgehend ins Bewusstsein. Die postexotische Aura, welche Multilateral den modebewussten, self-fashioning Künstler umweht, scheint im geschichtsträchtigen Wien gut ankommen zu sein.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Anthony Olubunmi Akinbola - Multilateral
28.01 - 19.03.2022

Galerie Krinzinger
1010 Wien, Seilerstätte 16
Tel: +43 1 513 30 06, Fax: +43 1 513 30 06 33
Email: krinzinger@galerie-krinzinger.at
http://www.galerie-krinzinger.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 12-18, Sa 11-14 h


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