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Zur Lage des Gedruckten

Da hat das neue Jahr noch nicht einmal ganz angefangen, und du musst schon wieder schimpfen. Du willst ein Buch kaufen, weißt auch schon welches und gehst zu Morawa, denn da ist die Auswahl am größten und damit die Chance, dass sie dein Buch vorrätig haben. Wolfgang Hildesheimer willst du mit nach Hause tragen, Autor einer Biografie zu einem hierzulande nicht ganz unbekannten Menschen namens Mozart und Erfinder des unsterblichen Gottlieb Theodor Pilz, der einige Künstler und Komponisten davor bewahrt hat, noch schlimmeren Schaden anzurichten, indem er ihnen ein Bild oder ein Musikstück ausredete. Hildesheimer also. Du gehst zu den Regalen, findest jede Menge Georgette Heyer und Hermann Hesse, aber nicht was du suchst. Du sprichst mit der Dame an der Information, fragst, ob es möglich ist, dass du keinen und auch überhaupt keinen Hildesheimer, ob als Taschenbuch oder gebunden oder deinetwegen als Loseblattsammlung, finden kannst. Du erntest als Antwort, dass das möglich ist, entgegnest mit einem indignierten "Respekt", und bekommst noch ein "vor Weihnachten war was da" entgegengeflötet. Du machst dich davon, versuchst es bei der Konkurrenz, und am Ende deiner Bemühungen hast du das traurige Resultat eines einzigen auf Lager befindlichen Werkes von Hildesheimer in den diversen Buchhandlungen des ersten Wiener Gemeindebezirks. Es ist nicht dasjenige, das du suchtest. Warum gibt es in Wien keine seriösen Buchhandlungen? Ich meine keine Teestuben, in denen du neben dem Gebatikten auch einiges Bedruckte zu den Lehren des Nostradamus kaufen kannst. Ich meine auch nicht diese seltsamen Hochregallager, wo du dich an Türmen aus Moore und Muliar vorbeizwängst und es Harry Potter auch als Kuscheltier gibt. Und ich meine genausowenig die Antiquariatskultur, für die Wien zurecht berühmt ist, die dir in deinem Fall aber auch nur weiterhilft, wenn du die Erstausgabe brauchst. Ich meine ja nicht einmal ein Geschäft, das so etwas wie Intellektualität ernst nimmt, eine Einrichtung, die als ganzer Laden so funktioniert wie der halbe Quadratmeter in der Zentralbuchhandlung neben der Kasse, wo sie immer die Neuerscheinungen auflegen, bei denen man während des Lesens auch denken darf. Ich meine ja nur eine seriöse Buchhandlung, meinetwegen eine große, die unter all dem Bestsellerträchtigen auch dem weniger Gängigen offen ist. Nur so als Ergänzung. Und womöglich als Erleichterung. Damit du nicht immer nach Deutschland fahren musst, wenn du ein Buch brauchst.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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