American Photography: America`s thrilling point
Eine motivisch und technisch intensive Epoche amerikanischer Fotografie zeigt derzeit die Albertina mit ihrer Ausstellung „American Photography“. Die Ausstellung präsentiert Arbeiten von den 1930er Jahren bis zu den beginnenden 2000er Jahren. Sie speist sich aus der seit 1999 bestehenden Fotosammlung der Albertina sowie aus der Privatsammlung des früheren amerikanischen Botschafters in Wien, Trevor D. Traina. Letzterer sammelte seit seinem frühen Erwachsenenalter Fotografien und ergänzt damit das in der Albertina gezeigte historische Bild.
Die Dekonstruktion des „American Dream“ durch Aufnahmen von Menschen und Landschaften jenseits des Mainstreams ist allen gezeigten Fotografien gemeinsam. Zum Teil begaben sich die Fotografen auf lange Reisen durch Amerika, wo sie in den Weiten der Landschaft alternative Mikrostrukturen von menschlichem Zusammenleben aufstöberten und ablichteten.
Dabei entstanden diverse Fotobücher, die für nachfolgende Generationen stilbildend wurden.
Einer der einflussreichsten Fotografen der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war Walker Evans. Sein Fotobuch „American Photographs“ erschien 1938 begleitend zu einer Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art. Evans zeigt darin 87 Abbildungen, zwischen 1929 und 1937 entstanden vor dem Hintergrund der großen wirtschaftlichen Depression und eines nahenden ökonomischen Zusammenbruchs. Evans verwendete eine Bandbreite von Motiven um seine Idee zu illustrieren: Landarbeiter, Autos, Reklame, Geschäftsfassaden, schwarze, weiße, arme und reiche Menschen. Wie sehr damals das Elend der einfachen US Amerikaner die Fotografen „inspirierte“ zeigt auch das bekannte Bild der „Migrant Mother“ von 1936 von Dorothea Lange, die eine Wanderlandarbeiterin mit zwei Kindern in der Zeit der großen Wirtschaftskrise ablichtete.
Stilbildend und gegen den Mainstream des Konsums richtete sich der Blick von Robert Frank, der sich 1955/56 mit einem Guggenheim-Stipendium auf einen Road Trip durch Amerika begab. Frank, der als jüdischer Schweizer die Nazizeit in der Schweiz mit ihrem alltäglichen Antisemitismus überdauert hatte, kam 1947 in die USA und entwickelte einen sehr europäischen Blick auf den American Way of Life. Als Folge seines Roadtrips erschien 1959 das Fotobuch „The Americans“, natürlich angeregt von Walker Evans. Frank zeigt in grobkörnigen schwarz-weiß-Aufnahmen Motorradfahrer, die sich in die Kamera drehen, Nachtaufnahmen von Highways, Afroamerikaner auf einer Wiese vor San Francisco. Franks Aufnahmen waren für die amerikanische Identität so verstörend, dass die Erstausgabe in Paris gedruckt wurde. Erst ein Jahr später erschien das Buch in Amerika mit einem Vorwort von Jack Kerouac.
Neben Evans und Frank sind in der Albertina noch weitere Fotografen zu sehen, die ebenfalls große Fotobücher publizierten. 1978 bis 1986 fuhr Joel Sternfeld durch die USA und veröffentlichte 1987 das Buch „American Prospects“ sowie Alec Soth, der eine Reise an den Mississippi mit seinen aufgelassenen Orten unternahm und 2003 das Buch „Sleeping by the Mississippi“ veröffentlichte.
Neben Aufnahmen dieser „sozialen Landschaften“, die Fotografen bereisten und ablichteten zeigt die Albertina auch eine Reihe von Arbeiten der österreichisch-amerikanischen Künstlerin Lisette Model. Model, 1901 in Wien geboren, ging 1926 nach Paris und floh 1938 vor der aufziehenden Katastrophe in die USA. Sie fotografierte „Typen“ die in den Bars der New Yorker East Side ihre Abende verbrachten. Schonungslose Bilder von hässlichen Momenten von Outcasts, meist von unten aufgenommen, wobei sie den Ausschnitt nachträglich in der Dunkelkammer bearbeitete.
Model war für eine nachfolgende Generation von Fotografinnen und Fotografen relevant, da sie bis ins hohe Alter an der New School for Social Research Fotografie unterrichtete. Unter ihren Schüler:innen war die berühmte Diana Arbus und Larry Fink - beide sind ebenfalls in der Ausstellung vertreten.
Bis auf Alec Soth war bisher nur von schwarz-weiß Fotografie die Rede. Die Ausstellung versammelt aber auch Beispiele von beginnender Farbfotografie aus den 1970er Jahren bis zu autobiografischen Dokumenten einer Nan Goldin aus den 1990er Jahren. Goldin dokumentierte darin das Sterben eines Freundes begleitet von seinem Lebenspartner. Goldins Blick ist voyeuristisch, obsessiv, tabubrechend und ziemlich gnadenlos. Es ist ein mutiger Versuch, das Thema Aids in den 90er Jahren aus dem Dunkel zu holen.
Neben diesen auch politischen Fotografien, sind einige Arbeiten von Cindy Sherman in der Ausstellung zu finden, die mit ihren „Untitled Filmstills“ zweifelsohne eine wichtige Position in der amerikanischen Fotografie ihrer Zeit einnimmt. Anders als in den Weiten der Landschaft thematisiert sie Abgründiges und Unbehagen in den von ihr dargestellten Personen.
Es ist eine umfassende, intensive und detailreiche Auseinandersetzung mit der amerikanischen Fotografie aus zwei Dritteln des 20. Jahrhunderts, die die Albertina da leistet. Sehenswert.
30.08 - 28.11.2021
Albertina
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